Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
knallte plötzlich Ruth ihr Buch auf den Tisch und schlug einen Ton an, dass alle Augen zu ihr herumfuhren.
    Â»Das bist du doch, Doc, ein Freund des Hauses, oder etwa nicht?«
    Â»Will ich meinen«, sagte der Doc und wirkte erleichtert.
    Â»Na also!«, sagte die Tante. »Jetzt hast du noch die dazugehörigen Hausschlappen bekommen: Südtiroler Wollfilz mit Samteinfassung. Für unsere Hausfreunde lassen wir uns nicht lumpen!«
    Ich schwöre, dass ich die Tante in diesem Moment liebte. Mit all der Innigkeit, die mir als noch nicht allzu erprobte Nichte möglich war, liebte ich sie mindestens sieben volle Minuten lang ohne jede Einschränkung.
    Elisabeth hustete und ging zum Tresen herüber, Sergej grinste, Heinrich hörte auf, seine Hände zu kneten, Ania kicherte,
Bascha seufzte, strich sich durch das frisch dauergewellte Wasserstoffblond und blätterte lustlos in einem polnischen Erzählband, von dem Ania behauptete, Bascha trage ihn nur zum Angeben mir sich herum und habe noch nie eine Zeile darin gelesen.
    Â»Gut, wenn nichts mehr los ist, dann fahre ich zu Wochenende nachhause. Ja?«, sagte Bascha etwas später und bekam von ihrer Schwester eins mit dem Ellenbogen.
    Â»Von mir aus«, sagte Elisabeth, »was sollst du dich hier mit uns langweilen.«
    Der Doc lächelte noch immer Ruth an, während er fragte: »Was habt ihr mit den Sommergästen angestellt?«
    Ruth fluchte: »Alles Memmen, die sich von so einem bisschen Regen und Wind vertreiben lassen. Sie wissen ja nicht, was sie verpassen!«
    Â»Was sollen die Leute denn machen?«, sagte ich. »Wenn es draußen schüttet, können sie bei uns nicht einmal im Bett fernsehen oder im Internet surfen.«
    Und bewies damit umgehend, dass ich meine Rettung nicht verdient hatte: Ruth ging übergangslos und komplett in die Luft. Sie bescheinigte mir, keine Ahnung von nichts zu haben, nannte mich »Konsumterroropfer« und »fernsehverdorbene Wohlstandsgöre«, die besser keine Kommentare zu Sachverhalten abgeben sollte, von denen sie nichts versteht.
    Â»All die Arbeit, die wir auf dich verwandt haben, war wohl sinnlos vergeudete Zeit!«
    Â»Ruthi, bitte nicht!«
    Elisabeth versuchte mit der Hand die Tante zu erreichen, die energisch abwehrte.
    Â»Lass mich in Ruhe, Lizzy, ich dachte, sie wäre anders, würde etwas verstehen von dem, was wir hier machen.«

    Ich schnappte nach Luft, erhob mich von meinem Stuhl und sagte: »Mir ist nicht bewusst gewesen, dass du Zeit und Mühe in mich investieren musstest. Bisher war ich so naiv zu glauben, dass ich diejenige sei, die für dich arbeitet, die dir ihre Zeit schenkt, aber da muss ich mich wohl geirrt haben. Hast Recht, Tante Ruth, ich kapiere gar nichts, habe sogar auf einiges verzichtet, was mir früher wichtig war, nur um dir zu gefallen, so blöd war die Wohlstandsgöre, stell dir das mal vor!«
    Â»Katia, jetzt wollen wir das alles mal nicht auf die Goldwaage legen«, sagte Elisabeth, »sie meint doch nicht …«
    Ruth fiel ihr ins Wort: »Verzichtet? Worauf hat sie denn verzichtet? Liebesfilmchen um Mitternacht? Elektronische Korrespondenz mit ihrem Verflossenen?«
    Â»Leute, macht mal langsam!«, raunte der Doc.
    Â»Bei meinem Neffen Wanja läuft Fernsehen ohne Pause«, sagte Bascha.
    Â»Vielleicht sollten wir wirklich mal ernsthaft überlegen, was wir den Gästen für die kalten Herbsttage anzubieten haben«, sagte Elisabeth, und Ania antwortete: »Das gute Idee!«
    Â»Na bitte!«, rief die Tante. »Wenn’s nach euch geht, werden wir wie alle anderen Hotels: austauschbar, einheitlich, den schlichten Bedürfnissen von Strickwarenvertretern und Proleten angepasst, Schundblätter und Pornokanal inklusive!«
    Heinrich stemmte beide Fäuste auf den Tisch und rief: »Aufhören! Was hier geredet wird, tut keinem gut!«
    Â»Allerdings«, brummte der Doc leise in den Moment der überraschten Stille hinein, der auf Heinrichs Ausbruch folgte.
    Elisabeth sagte mit belegter Stimme: »Du tust uns allen Unrecht, Ruth Schuhmann, und das weißt du auch.«
    Die Tante machte eine wegwerfende Handbewegung und starrte aus dem Fenster. Ania und Bascha steckten die Köpfe
zusammen und unterhielten sich leise auf Polnisch. Weder schien jemand bemerkt zu haben, was die Tante mir zuvor an den Kopf geworfen hatte, noch wollte einer etwas zu meiner Verteidigung

Weitere Kostenlose Bücher