Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
gehörte ihrer Mutter, aber Ruth wird nicht wollen, dass ich dir das erzähle.«
    Ich fing wieder an zu heulen.
    Â»Bist du auch böse auf mich?«

    Â»Niemand ist böse auf dich!«
    Elisabeth setzte sich neben mich, ich ließ mich in ihre Arme sinken, und sie wog mich langsam hin und her, summte dabei einen monotonen Singsang, bis ich fast an ihrer Brust eingeschlafen wäre.
    Â»Alles gut. Es wird ja alles wieder gut«, murmelte sie, und ich war mir nicht sicher, ob sie zu mir oder zu sich selbst sprach.
    Â 
    Am nächsten Morgen sah keine von uns besonders frisch aus. Als ich mich zum Frühstück hinsetzte, sank das Tagblatt um einige Zentimeter, gab kurz die dunkel umrandete Augenpartie der Tante frei, hob sich wieder.
    Â»Ich wünsche dir einen guten Morgen.«
    Â»Danke, Tante, den wünsche ich dir auch.«
    Ich hatte bereits in die zweite Brötchenhälfte gebissen, als Ruth fragte, diesmal ohne die Zeitung zu senken:
    Â»Gefällt dir die Uhr?«
    Â»Sehr!«
    Â»Ist ein altes Stück.«
    Â»Toll. Danke!«
    Wir strichen den ganzen Tag umeinander herum wie auf dünnem Eis, ich gab mich wortkarg und dienstbeflissen, die Tante lobte jeden zweiten meiner Handgriffe und irritierte mich mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit, bis ich es am späten Nachmittag nicht mehr aushielt: »Lass uns jetzt bitte wieder normal miteinander sein, geht das?«
    Sie sah mich an, kniff die Brauen zusammen, dass ich dachte, sie würde wieder ausrasten. Ohne es zu wollen, wich ich einen Schritt zurück, aber sie lächelte, sagte fast schüchtern: »Ich beiße doch nicht.«
    Â»Weiß man’s?«

    Sie lachte leise, trat auf mich zu, legte mir die Hand an die Wange, und mit ihren Augen passierte etwas Eigenartiges.
    Â»Du bist doch gerne hier, Nichte, oder?«
    Ich nickte.
    Â»Bleib noch ein bisschen.«
    Ich nickte wieder.
    Sie machte mir Angst in diesem Zustand, und es wäre mir fast lieber gewesen, wenn sie wieder Göre zu mir gesagt hätte, statt ihre warme, etwas schweißfeuchte Hand auf meinem Gesicht liegen zu lassen.
    Â»Hör auf, Tante, ich fang sonst wieder an zu heulen.«
    Â»Bloß nicht!«
    Sie zog die Nase hoch, ihre Hand flog zu meiner anderen Wange, kniff hinein, dass es schmerzte.
    Â»Au!«
    Â»Weichei!«
    Da waren wir wieder im Lot. Vielleicht sogar mehr als das, aber das Verhalten der Tante zu analysieren, hatte ich aufgegeben.
    Abends zog sie sich ins Grübeln zurück, ging noch vor Ende der Mahlzeit in Richtung des Strandkorbs, den sie mit Lastwagenplane regensicher gemacht hatte, und sagte im Rausgehen zu mir: »Steh nicht wieder sinnlos am Bibliotheksfenster rum, Nichte, das führt zu nichts.«
    Es klang warm und nicht unfreundlich, und ich hielt mich daran.
    Â 
    Nach einer zweitägigen Verfinsterung, während der sie mich allerdings weitgehend mit ihrer Übellaunigkeit verschont hatte, stand Ruth plötzlich vom Frühstückstisch auf, schlug auf die Tischkante, dass es schepperte, und rief: »Jetzt ist es genug!«

    Â»Was, Tante?«, fragte ich, bekam jedoch keine Antwort.
    Ruth verließ schnurstracks das Haus, spazierte über den Deich in Richtung Liefgaard davon. Erst am späten Nachmittag kam sie zurück, wie ausgewechselt: grüßte freundlich in die Runde, erzählte dann abends beim Rotwein lustige Hotelgeschichten, zitierte wieder ohne Rücksicht auf Verluste, wirkte fast ein bisschen zu überdreht, aber sie war guter Stimmung wie schon sehr lange nicht mehr.
    Als der Doc sich zu uns gesellte, wurde er von Ruth fast schon charmant begrüßt, was dessen Stimmung allerdings weniger aufzuhellen schien, als man hätte vermuten können.
    Â»Weißt du, was mit der Tante ist?«, fragte ich Elisabeth leise, als wir uns hinter dem Tresen trafen, aber die schüttelte unwillig den Kopf: »Wer weiß schon, was mit Ruth ist.«
    Â 
    Â»Wir nutzen den Leerstand, um den Laden auf Vordermann zu bringen«, verkündete die Tante am nächsten Morgen, noch immer bester Laune. Sie teilte uns für innerhäusliche Arbeiten ein: Treppengeländer streichen, Bibliotheksregale abstauben, Bücher sortieren, Teppiche aufschäumen, Katzen entwurmen, Möbel polieren und so weiter. Bascha maulte: »Hat sie Energieschub, oder was?«
    Â»Viel Wirkung, wenig Kosten«, sagte Ruth mit einem spöttischen Blick auf Elisabeth. »Auf

Weitere Kostenlose Bücher