Das Meer in Gold und Grau
fing sich als erster und sagte: »Versicherungspolicen nicht bezahlt?«
Elisabeth lieà sich stumm auf einen Stuhl sinken, ich zuckte mit den Schultern, die anderen taten es mir nach.
»Das war leichtsinnig«, sagte der bis dahin schweigsame Kollege und hatte Glück, dass die Tante schon drauÃen war.
Ich verbrachte abends eine illegale Stunde in der Badewanne der Sommersuite und eine weitere, um alles wieder sauber zu machen, während von unten lautes, heftiges Diskutieren zwischen Elisabeth und der Tante zu hören war, dessen Wortlaut ich mich nicht zu verstehen bemühte.
Beim Versuch, mittels Durchzug den Kloaken-Muff aus den Räumen zu treiben, kühlte am nächsten Tag das gesamte Haus derart herunter, dass Heinrich, Ania und ich das Anschalten der Heizung forderten. Nachdem die Bitte mehrfach als unnötig zurückgewiesen worden war, rückte die Tante damit heraus, dass die Frage, ob Heizung an oder aus, nicht entschieden werden könne, solange die Ãltanks ebenso leer wie das Konto seien.
»In Berlin gab es mal einen Finanzsenator, der den Sozialhilfeempfängern empfohlen hat, sich einen wärmeren Pulli anzuziehen, wenn ihnen die Heizkosten zu hoch werden«,
sagte Heinrich, und während Elisabeth einmal mehr aufstöhnte, fauchte Ruth: »Noch ein Wort und du fliegst mitsamt deiner Steinsammlung raus!«
Wir liefen trotzdem fortan mit Strickjacken im Haus herum. Jemand legte mir einen Waliki -Herrenpullover aus Alpaka in GröÃe XXL vor die Tür, der mir bis knapp übers Knie ging und das gemütlichste Kleidungsstück war, das ich je besessen hatte.
Die Reinigung des Kellers nahm mehrere Tage und etliche Kanister Putz- und Desinfektionsmittel in Anspruch, aber der Geruch hing auch am Wochenende noch im Treppenhaus. Dass ein Kostenvoranschlag vom Schwager des Obstmannes, der eine Klempnerei in Halsung betrieb, verheerend gewesen sei, verriet mir Heinrich unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Ruth habe fluchend den Umschlag zerrissen und dem LSF gesagt, er solle seinen Schwager zum Teufel schicken.
Am Montagmorgen saà die Tante länger als gewöhnlich stumm hinter ihrem Tagblatt, zog sich danach einen makellosen Blazer über den Rollkragenpulli und verabschiedete sich für die nächsten Stunden mit der Aussage, sie habe einiges in Lübeck zu erledigen, werde auÃerdem zur Bank gehen, und wir sollten mit dem Essen nicht auf sie warten.
»Soll ich mitkommen?«, fragte Elisabeth.
»Nicht nötig«, sagte Ruth.
»Dann nimm wenigstens Katia mit, etwas Stadtluft wird ihr guttun, und sie braucht noch irgendeinen Filter für die Kamera.«
»Nein«, sagte Ruth.
Was das denn heiÃen solle, schnappte Elisabeth, Ruth habe doch kürzlich erst darauf herumgeritten, dass ihre Nichte ermuntert werden müsse, ihre Kreise um das Palau herum endlich
gröÃer zu ziehen, sich nach drauÃen zu wagen und, statt in der Stube herumzuhocken und auf besseres Wetter zu warten, all die Sachen zu tun, die junge Frauen ihres Alters für gewöhnlich so machen. »Katia kann dich fahren, sie wird dir unterwegs schon nicht auf die Nerven gehen.«
»Heute kann ich keinen dabei brauchen.«
Ich beeilte mich, zu versichern, dass ich am Vormittag sowieso am Strand unterwegs sein würde und später mit Frank ein Bildbearbeitungsprogramm installieren wolle, also für einen Stadtbummel gar keine Zeit hätte, auÃerdem fehle mir rein gar nichts, die Tante solle ruhig ohne mich fahren. Während ich noch redete und mich zu erklären bemühte, dass mich noch nie interessiert hatte, was junge Frauen meines Alters für gewöhnlich so tun, erschien der Doc in der Kajüte, wartete, bis ich fertig war, nickte dann in die Runde und sagte zu Ruth: »Können wir?«
Elisabeth wandte sich brüsk ab und begann Gläser zu polieren, die absolut lupenrein gewesen waren. Ruth sagte: »Jau« und verschwand gruÃlos.
Ich sah den Glutpunkt am frühen Abend in der Zwölf aufglimmen, als ich die Steintreppe vom Strand aus zum Haus hochstieg.
»Da bist du wieder, Tante«, sagte ich und lieà mich neben ihr nieder, ohne eine Aufforderung abzuwarten.
»Nichte«, sagte Ruth und reichte mir ihren Tabaksbeutel.
»Wie warâs in der Stadt?«, fragte ich, um dem Schweigen zu entkommen, das sich ausbreiten würde, wenn Ruth weiter derart aufs Wasser starrte.
»Schlimm.«
»Die
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