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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Banksache?«
    Ruth drehte mir ihr Gesicht zu, sah mich an, als wisse sie
gar nicht, wovon ich rede, sagte dann: »Ach ja, die Banksache. Blöd.«
    Â»Wie blöd?«
    Â»Sehr blöd. Es ist nicht gut gelaufen. Egal.«
    Mir war bewusst, dass sie mit schlimm etwas anderes als einen vermasselten Banktermin gemeint haben musste, aber für einen Satz im Sinne von Willst du darüber reden? hätte die Tante mich zeternd aus dem Korb geworfen und Recht damit getan.
    Also sagte ich: »Der Doc war mit.«
    Â»War er.«
    Â»Wegen der Bank?«
    Die Tante sog an ihrer Zigarette.
    Â»Du hast irgendetwas, das du mir nicht mitteilen willst.«
    Eine Feststellung, keine Frage, das würde die Tante vielleicht schlucken. Ich weiß nicht, warum ich mich weiter vorwagte, obwohl ich glaubte, nur einen Schritt weit von einer Mine zu stehen.
    Â»Einverstanden, nennen wir es irgendetwas, ich hab’s mir heute angesehen, es hat mir nicht gefallen, und ich will nichts weiter darüber mitteilen, wie du so richtig erkannt hast.«
    Â»Ist dein gutes Recht.«
    Â»Nicht einmal mich selber würde ich es wissen lassen, wenn ich die Wahl hätte, aber Wissen oder Nichtwissen ändert nichts, also belassen wir es dabei und halten die Klappe.«
    Sie warf ihre Kippe im hohen Bogen auf die Felsblöcke.
    Â»Verstehe«, sagte ich.
    Â»Glaub ich kaum«, sagte Ruth, nahm mir den Tabakbeutel aus der Hand und drehte zwei Zigaretten, die kaum zu ihren Glanzstücken gehörten, während ich mich bemühte, nicht auf ihre Hände zu sehen, um der Klärung der Frage, ob sie zitterten
oder nicht, auszuweichen. Wir rauchten schweigend, bevor ich aufstand und zum Haus ging.
    Â»Ich lass dich jetzt mal in Ruhe, ja?«
    Â»Ist gut. Wir sehen uns später drinnen.«
    Â»Ja, Tante.«
    Â»Und rauch nicht so viel, das beschleunigt die Hautalterung.«
    Â»Sagt genau die Richtige.«
    Â»Eben.«
    Â 
    Dass ich wenigstens mit ihr hätte reden und sie informieren müssen, warf mir Elisabeth später vor, als wir rekonstruierten, an welchem Tag sich Ruth wohl erstmals den Tatsachen in Form von Röntgenbildern gestellt hatte, und dass mein Mangel an Vertrauen ihr, Elisabeth, gegenüber dem Verrat von Ruths Alleingang nahe käme. Wir hätten sie beide zutiefst enttäuscht mit unserer Eigenbrötlerei, von mir aber hätte sie mehr Offenheit erwartet als von einer störrischen alten Person und so weiter. Sie kriegte sich kaum wieder ein. Ich nahm es ihr nicht übel, wir hatten jede unsere Art zu reagieren. Elisabeth war eine Zeit lang verletzt, tieftraurig und stinksauer auf mich, weil sie glaubte, ich hätte von Ruths Zustand früher gewusst als sie, aber zumindest aus diesem Vorwurf machte ich mir nicht viel. Zu den wenigen Dingen, die ich im Palau richtig gemacht habe, und sei es auch nur aufgrund einer Mischung von Beschränktheit und Ignoranz, gehört, dass ich Ruth, wenn auch unbewusst, dabei behilflich war, noch eine Zeit lang in Ruhe ihrem Alltag nachgehen zu können, bevor sich unsere kleine Inselnormalität endgültig nicht mehr aufrechterhalten ließ.

    Â 
    Als Ruth etwa zwanzig Minuten nach mir die Kajüte betrat, war ich gerade dabei, die Diafunktion meines Computers vorzuführen und die anderen mit dem Anblick von hundert sich nicht wesentlich voneinander unterscheidenden Ostseeimpressionen des heutigen Tages zu beglücken.
    Â»Sie ist eine Künstlerin!«, rief Heinrich, und Ruth sah eine Weile still lächelnd dem graugetönten Einerlei auf meinem Bildschirm zu, bevor sie sich hinter einer Teetasse niederließ, die Elisabeth ihr hinschob.
    Â»Was haben sie bei der Bank gesagt?«
    Â»Sie vergeben keine Kredite an Dinosaurier«, sagte die Tante, »irgendwie kann man das ja auch verstehen.«
    Â»Was soll das denn heißen?«, fragte Elisabeth.
    Â»Dass wir die Öltanks nur halb voll machen werden und die Sanierung der Abwasserrohre warten muss, bis Wunder geschehen.«
    Â»Wunder!«, fauchte Elisabeth. »Ich erinnere dich daran, wenn uns das nächste Mal die eigenen Exkremente um die Knie schwappen!«
    Die Tante nickte, und ich machte mir die meisten Sorgen, weil sie nicht willens war, sich mit Elisabeth zu streiten. Sie rührte in ihrem Tee, hob die Tasse zum Mund und schlürfte leise, während wir anderen den Atem anhielten, auf eine Explosion warteten. Aber Ruth blieb ruhig, regte sich nicht

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