Das Meer in seinen Augen (German Edition)
dazwischengekommen ist.« Sie sah noch mal verächtlich auf das Kondom. Dann lächelte sie ihn an: »Bring sie mit zum Essen, okay?«
60
Merlin saß bei Christian auf dem Sofa und trank entgegen seines Vorsatzes einen Wodka Lemon. Es war zu verlockend, sich einfach zu betäuben und über nichts mehr nachdenken zu müssen. Das Bedürfnis, für einige Zeit mal unbeschwert zu sein, ließ ihn das Glas wieder zum Mund führen. Trotzdem gelang es ihm nicht, seine Gedanken vollkommen zur Seite zu schieben. Immer wieder dachte er an David, der jetzt allein in seinem Bett liegen musste und sich wahrscheinlich genauso viele Gedanken machte wie er.
»Weißt du noch, als du das erste Mal hier warst?«, fragte Christian und stieß ihn in die Seite. Er lachte.
Merlin verzog das Gesicht. Im Grunde gab es nichts zu Lachen an ihrem ersten Zusammentreffen. Sie hatten sich erst eine Weile beschnuppert, dann Mut angetrunken und waren in einer wilden Knutscherei zu Boden gegangen. Wahrscheinlich spielte Christian jetzt wieder darauf an, dass Merlin ihn danach hatte abblitzen lassen.
»Klar weiß ich das noch«, sagte Merlin und trank von seinem Wodka. »Ich bin ja nicht vergesslich, auch wenn du das offenbar zu glauben scheinst.«
»Genauso zickig warst du damals hinterher auch«, lachte Christian und hob sein Glas. »Prost!«
»Das hatte aber einen anderen Grund«, antwortete Merlin trocken. Er hatte keine Lust, sich jetzt wieder über die verpatzte Liebesnacht zu unterhalten. »Wann gibst du eigentlich mal auf?«, fragte er schließlich. »Ich meine, wir hatten das doch schon alles durchgekaut.«
»Durchgekaut!«, wieherte Christian los und schlug ihm auf den Rücken. »Das ist gut!«
»Christian!« Merlins Stimme wurde schneidend.
»Ja?« Christian gab sich Mühe, ernst zu sein und schaute ihn unschuldig an.
»Ich dachte, ich könnte mit dir über meine Probleme sprechen«, sagte Merlin leicht enttäuscht. »Okay, wir haben uns jetzt schon längere Zeit nicht mehr gesehen, aber wir haben uns Mails geschrieben, und das war irgendwie anders.«
»Entschuldige, ich bin einfach - ich freue mich, dass du da bist.«
Merlin nippte wieder an seinem Wodka. Er spürte den Alkohol langsam. So wie Christian trank, musste er entweder abgehärtet sein, oder aber er war längst angetrunken.
»Ich freue mich auch, dass wir uns mal wieder sehen«, sagte Merlin nach einer Weile. Das war nicht mal gelogen, stellte er überrascht fest. Auch wenn er jetzt lieber mit David zusammen wäre, Christian war allemale besser als jetzt zu Hause zu sein und womöglich Paolo über den Weg zu laufen.
»Dann ist ja alles in Butter«, sagte Christian und legte ihm den Arm um die Schultern. So saßen sie ein paar Minuten, bis Merlin sich befreite. Plötzlich war er sich wieder nicht so sicher, ob er tatsächlich lieber hier war anstatt bei sich zu Hause.
»Merlin«, fing Christian unvermittelt an, »ich weiß, dass du das mit uns für einen Fehlschlag hältst, okay?« Er hustete. »Das Einzige, was mir jetzt noch wichtig ist, ist deine Freundschaft.«
Merlin lächelte. »Danke«, sagte er leise.
»Ich bin einfach der Meinung, du solltest dich eine Weile hier zurückziehen. Es bringt doch nichts, ständig über etwas nachzugrübeln. Damit macht man sich nur verrückt, aber eine Lösung findet man so garantiert nicht.«
»Vielleicht hast du recht.« Doch Merlin war alles andere als überzeugt. Wie sollte er denn seine Gedanken einfach so abschalten? Sicher war da etwas Wahres dran, dass die Welt morgen schon anders aussehen konnte, aber heute hatte er Probleme, die sich nicht so leicht über Nacht verflüchtigen würden.
»Ist trotzdem nicht so einfach«, sagte Merlin schließlich und sah Christian an. »Was würdest du denn an meiner Stelle machen? Ich meine, vorausgesetzt, du hättest dich überhaupt auf die ganze Scheiße eingelassen. Das wäre natürlich das Beste, wenn alles nie so passiert wäre ...«
»Tja, das kann man leider nicht rückgängig machen«, sagte Christian und strich mit seinen Fingern über den Rand seines Glases. »Ich glaube, ich würde verschwinden, so wie du es jetzt gemacht hast.«
»Für immer?«
Christian zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht. Vielleicht erst mal, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.«
»Das Dumme ist ja, dass ich nicht lange wegbleiben kann.« Merlin trank einen Schluck. »Montag fängt die Schule wieder an. Außerdem wartet David auf mich.«
»David?«
»Mein Freund.«
»Ah so«, machte
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