Das Meer in seinen Augen (German Edition)
stand, sagte er etwas außer Atem: »Ich glaube, hier lassen wir das mal besser mit der Knutscherei.«
David nickte. Sein Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig und Merlin biss sich auf die Unterlippe. Schon wieder hatte er vollkommen unbedacht einen schönen Moment zerstört. Er kam sich vor wie ein Schlächter.
»Willst du noch mit zu mir?«, fragte er schnell, um seinen Fehltritt wieder auszubügeln.
»Ich will euch nicht auf die Nerven gehen«, sagte David. Aber in seinen Augen spiegelte sich Dankbarkeit. Natürlich wollte er nicht nach Hause, dachte Merlin.
»Also mir gehst du bestimmt nicht auf die Nerven. Ich meine, wir könnten ja zusammen Hausaufgaben machen.« Er legte ein freches Grinsen auf.
»Aha«, machte David und lachte. »Schon interessant, was dir da als erstes einfällt. Aber für Hausaufgaben komme ich natürlich gern mit rüber.«
»Du kannst auch gern länger bleiben«, sagte Merlin und dachte an letzte Nacht. »Ich würde gern austesten, ob ich immer so schlecht schlafe, wenn du mit in meinem Bett liegst.«
David schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das probieren wir besser ein andermal.« Es schien, als wollte er noch etwas sagen, aber er schwieg.
78
»Hi Ma!«, rief Merlin, als sie das Haus betraten. David sah sich noch mal um. Er wollte nicht, dass seine Mutter ihn beobachtete, wie er schon wieder zu den Nachbarn ging. Obwohl ihm das ja eigentlich egal sein konnte. Doch irgendwie hatte er seiner Mutter gegenüber ein schlechtes Gewissen. Und damit hatte sie am Ende doch mal wieder genau das erreicht, was sie wollte.
»Hallo Merlin, hallo David«, sagte Selma und lächelte gezwungen. Paolo stand mit ihr gemeinsam in der Küche.
»Hallo«, antwortete David und hatte gleich das Gefühl, dass sie mehr als nur ungelegen kamen.
»Wir sind oben«, sagte Merlin schnell, der wohl auch die angespannte Situation bemerkt hatte.
Paolo räusperte sich. »Moment«, hielt er sie zurück.
Sie blieben stehen und David fühlte den unangenehmen Blick des Mannes auf sich ruhen. Er wurde nervös.
»Selma hat mir erzählt, dass ihr jetzt zusammen zum Sport geht und deine Eltern was dagegen haben, David.« Paolos Augen blitzten kurz auf. »Wie wär's, wenn du bei mir als Aushilfe anfängst und dir dein eigenes Geld verdienst?«
»Paolo!«, sagte Selma und schlug ihrem Freund auf die Brust. Aber David fand die Idee gar nicht so schlecht.
»Gern«, sagte er, ohne weiter darüber nachzudenken.
»Okay«, funkte Merlin wieder dazwischen, »wir sind dann jetzt oben.« Er zog David mit sich.
Mit einem Schlag waren all die unangenehmen Gedanken an Paolo vergessen. Bisher hatte David immer geglaubt, dass Paolo ihn nicht leiden konnte. Aber jetzt fühlte er sich seltsam erhaben, weil dieser merkwürdige Mann ihn gefragt hatte, ob er für ihn arbeiten wollte. Und ja, David wollte das in der Tat. Die Vorstellung, sein eigenes Geld zu verdienen und unabhängig von dem Willen seiner Eltern zu sein, gefiel ihm.
Doch kaum waren sie oben angekommen, fing unten der Streit an. David blieb automatisch stehen und lauschte.
»Was soll das?«, fragte Selma laut. »Weißt du eigentlich, was für eine Situation du damit herbeiführst?«
»Du wolltest doch, dass ich nett zu ihm bin!«, verteidigte sich Paolo.
»Aber nicht so! Seine Eltern werden denken, dass wir gegen sie spielen!«
»Tust du das denn nicht eh schon?«
Merlin legte seine Hand auf Davids Rücken und schob ihn in sein Zimmer, dann schloss er die Tür. Er sah seltsam bleich aus.
»Was hast du?«, fragte David.
»Meine Mutter hat recht«, sagte Merlin. »Du solltest dich nicht auf Paolos Angebot einlassen.«
»Warum?« David dachte an das Geld, das er für das Fitnesscenter verdienen würde. Wollte Merlin nicht, dass er mit ihm da hinging? Oder steckte da was anderes hinter? Irgendwie kam David die ganze Sache mit einem Mal merkwürdig vor. Erst wandelte sich Paolo und bat ihm einen Job an, dann stellte sich heraus, dass er wohl nur aufgrund Selmas Bitten nett zu ihm war, und jetzt waren doch alle dagegen, weil seine Eltern dagegen sein könnten. Natürlich würde seine Mutter verlangen, dass er das Angebot ablehnte. Immerhin war er noch Schüler und hatte sich aufs Lernen zu konzentrieren. David konnte seine Mutter schon hören, wie sie ihm ins Gewissen redete. Aber sein Vater, der würde sicher nicht wirklich was dagegen haben. Immerhin würde er sozusagen auch für ihn arbeiten. David strahlte.
»Ich - ich glaube, die Sache hat - einen
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