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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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nicht, ob ich das überhaupt will.«
    »Mit mir zusammen abhauen?«
    »Nein, überhaupt weglaufen.« Merlins Stimme wurde zu einem Flüstern. »Ich habe Scheiße gebaut, also muss ich das auch wieder geradebiegen.«
    David schluckte. Jetzt schämte er sich noch mehr für seine Zweifel an Merlin.

    79

    Sie lagen lange Zeit still und Merlin hörte Davids Herz klopfen. Es hatte etwas Beruhigendes, zu wissen, dass er nicht allein war, dass er gleich unter sich den Beweis hörte, dass David wirklich noch bei ihm war - trotz allem. Vorsichtig nahm er den Kopf wieder hoch und schaute seinen Freund an. Er wollte etwas sagen, fand aber nicht die richtigen Worte. Also legte er sich einfach wieder neben David hin. Vielleicht war es auch besser, mal nichts zu sagen. Er würde ganz sicher nicht die richtigen Worte finden. Am Ende würde er womöglich nur wieder lachen, weil ihm die Situation so peinlich vorkam. Aber war das nicht absurd? Wenn er abends an seinen Gedichten saß, schämte er sich doch auch nicht. Der Gedanke, diese Gedichte David aber zu zeigen, ließ ihn schon verlegen werden. Dabei war doch gerade David als sein Freund genau der richtige Empfänger, oder? Seine Mutter würde das wahrscheinlich sofort mit mangelnder Reife erklären. Wahrscheinlich würde sie ihn eh überreden wollen, David seine Gedichte mitzugeben, um ihm zu zeigen, wie gefühlvoll und - zerbrechlich er sein konnte. Ja, das war letztlich das Wort, auf das es hinauslief: Zerbrechlich. Für dieses Adjektiv gab es im realen Leben keinen Platz mehr. Niemand interessierte sich wirklich ernsthaft für Gedichte. Wie Blumen nahm man sie zwar als schön wahr, fuhr aber dennoch mit dem Rasenmäher drüber, ohne sich wirklich schlecht dabei vorzukommen. Irgendwie gab es nicht mehr genug Zeit für die Dinge, die einen wirklich berührten. Und wenn doch, dann empfand man sie als so ungewohnt, dass man sich für sie schämte und sie am liebsten vor anderen verheimlichte. Trotzdem hatte David ihm vorhin seine Gefühle offenbart, als er vom Meer sprach. Es war so rein und unverfälscht rübergekommen. Merlin verfluchte sich erneut, dass er aus diesem Geschenk etwas Lächerliches gemacht hatte.
    Er drehte sich zu David und betrachtete dessen Profil. Vorsichtig setzte er seinen Finger auf Davids Stirn und ließ ihn langsam über sein Gesicht fahren. Etliche Einfälle schossen ihm durch den Kopf, was er jetzt in diesem Moment sagen könnte. Allerhand poetischer Kram. Aber je länger er zögerte, desto sicherer wurde er sich, dass keines dieser Worte über seine Lippen kommen würde. David hatte recht, die Liebe ließ einen schon auf seltsame Ideen kommen. Wenn er daran dachte, wie blumig seine Mutter immer sprach, wenn sie frisch verliebt war, konnte er nur hoffen, dass er zumindest in dieser Hinsicht absolut nicht nach ihr geriet.
    Unten wurde die Haustür zugeschlagen. Augenblicklich kam Merlin wieder ins Hier und Jetzt zurück. Auch David rührte sich.
    »Was ist?«, fragte er.
    Merlin setzte sich auf und zuckte mit den Schultern. War Paolo etwa gegangen? Seine Frage wurde jäh beantwortet, als die Tür zu seinem Zimmer aufging und Paolo ihn lächelnd ansah. »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte er.
    Merlin atmete tief ein. Irgendwie fühlte er sich an Donnerstag erinnert. Doch wider Erwarten sah Paolo kein bisschen sauer aus oder unfreundlich. Er ging durchs Zimmer und setzte sich auf Merlins Bürostuhl. Dann grinste er breit. »Seid ihr noch böse, weil ich letztens so hier reingeplatzt bin?«
    Merlin sah vollkommen perplex von Paolo zu David und wieder zurück. »Du bist auch jetzt gerade einfach so hier reingeplatzt«, sagte er schließlich. Aber er war immer noch so überrascht von Paolos Auftreten, dass er nicht in der Lage war, entsprechend Ärger aufzubauen.
    Paolo ging darauf nicht ein, sondern richtete sich gleich an David: »Selma ist dagegen, dass ich dir einen Job bei Elco anbiete.« Er zuckte mit den Schultern und zog die Mundwinkel runter, um anzuzeigen, dass er ihre Beweggründe nicht teilen konnte.
    »Das haben wir mitbekommen«, sagte Merlin, der langsam seine Fassung zurückerlangte.
    »Ich finde es nicht schlimm, wenn du in der Firma deines Vaters arbeitest, David«, fuhr Paolo fort. »Selma ist zwar ein wenig sauer auf mich, aber ich wollte dir nur noch mal sagen, dass es für mich kein Problem ist. Wenn du willst, sag mir Bescheid, okay?«
    David nickte. »Okay.«
    Irritiert stellte Merlin fest, dass Paolo ihn kein bisschen beachtete.

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