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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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Hanne klang mit einem Mal noch kälter. »Das haben wir uns schon gedacht«, sagte sie. »Dein Vater und ich, wir wollen noch mal mit dir sprechen.«
    David sah sie überrascht an. »Ist er ...«, fing er an, wurde aber sofort unterbrochen.
    »Ja, er hat seine Pause extra so gelegt, dass wir uns zusammensetzen können. Ich finde es nicht sehr schön, dass du einfach ohne etwas zu sagen fern bleibst.«
    »Seit wann bin ich verpflichtet, nach Schulschluss sofort nach Hause zu kommen?«, fragte David und war von seiner Unerschrockenheit überrascht.
    Seine Mutter sah ihn finster an. »Komm jetzt, dein Vater wartet schon.«
    Unsicher folgte David ihr ins Wohnzimmer. Sein Vater saß am Esstisch und tat so, als wäre er in seiner Tageszeitung vertieft. Aber David hatte seinen Blick bemerkt. Wieder fühlte er sich ein wenig schummerig. Er dachte kurz darüber nach, ob er eine Ausrede vorbringen sollte. Aber er setzte sich doch. Seine Mutter räusperte sich. Ein untrügliches Zeichen, dass das Tribunal nun beginnen konnte. Sein Vater tat so, als ob er noch eine interessante Stelle zu Ende lesen müsste, aber David sah genau, dass seine Augen sich nicht bewegten, sondern lediglich ins Leere starrten. Nach einer Weile sah er aber doch auf.
    »Hast du uns nicht noch was zu sagen?«, fragte er.
    David registrierte, dass die Stimme seines Vaters nicht schneidend oder vorwurfsvoll klang. Vielmehr hatte er das Gefühl, dass sein Vater diese Frage aus echtem Interesse stellte.
    »Ich weiß nicht«, sagte er, um sich Zeit zu verschaffen. Irgendwie kam es ihm komisch vor, jetzt einfach das Wort zu ergreifen und alles zu erzählen. Es schien ihm viel einfacher, auf die Fragen seiner Eltern zu antworten.
    »Du bist gestern einfach davongelaufen, ohne weiterzureden«, sagte sein Vater ruhig. »Du kannst dir sicher denken, dass das deine Mutter und mich beschäftigt hat.«
    David schluckte. Also wollten sie es hören. Sie würden es nicht einfach dabei belassen, sie wollten, dass er es aussprach. Mit einem Mal fühlte er sich unglaublich schwach. Er dachte an gestern, wie er sich diese Situation unter der Dusche vorgestellt und sich vorgenommen hatte, ihr mutig entgegenzutreten. Davon spürte er jetzt nichts mehr. Nur dieses schwammige Gefühl in seinem Kopf, das ihm das Denken schwer machte.
    »David!«, zischte seine Mutter. Aber sein Vater bedeutete ihr sofort, sich zurückzuhalten.
    »Manchmal«, fing er mit sanfter Stimme an, »ist die Vorstellung schlimmer als die Wahrheit, David.« Er räusperte sich. »Ich glaube, deine Mutter macht sich nicht zu Unrecht Sorgen. Aber ich bin mir sicher, dass es nicht halb so schlimm ist. Also sag uns bitte, was mit dir los ist.«
    Seine Mutter holte scharf Luft, hielt sich aber zurück.
    »Ich ...«, fing David an und stellte sich vor, wie er den Satz aussprach, der alles besiegeln würde. Er wusste, dass er diese Gelegenheit jetzt ergreifen musste. Ohnehin gab es kein Zurück mehr. Sie wussten es längst. »Ich - ich - ich ...« Er schluckte. Die Worte wollten einfach nicht heraus. Also suchte er nach anderen. »Ich - bin verliebt.«
    Sein Vater nickte. Seine Mutter saß bleich auf ihrem Stuhl und rührte sich keinen Millimeter.
    Krampfhaft versuchte David noch etwas zu sagen, aber seine Zunge schien am Gaumen festzukleben.
    »In diese Linda?«, fragte sein Vater nach einer Weile.
    David schüttelte den Kopf.
    »Also doch - in ...« Der Name blieb unausgesprochen.
    Die Tischdecke verschwamm vor Davids Augen. Langsam nickte er. So saßen sie endlos, ohne etwas zu sagen. Irgendwann, es erschien David, als wären Stunden vergangen, sah er wieder auf. Sein Vater las weiter in der Zeitung - diesmal bewegten sich sogar seine Augen. Wahrscheinlich versuchte er, das soeben Erfahrene unter anderen Informationen zu verschütten. Seine Mutter dagegen saß immer noch steif auf ihrem Stuhl und starrte ihn an. Ihre Augen wirkten unglaublich hart und ließen ihr Gesicht wie eine steinerne Maske aussehen.
    »Warum?«, fragte sie plötzlich mit einer Stimme wie reißendes Papier.
    David blinzelte. Genau davor hatte er Angst gehabt. Vor dem Vorwurf. Warum konnte er nicht einfach ganz normal sein, wie die meisten anderen Jungen auch?
    »Ich meine, er hat dich doch - überredet! Das ging doch eindeutig von ihm aus!« Seine Mutter wurde lauter. »Ihr habt doch nicht ...« Ihre Gesicht wurde noch ein bisschen blasser.
    »Nein«, sagte David unerwartet und erschrak fast vor seiner eigenen Stimme.
    »Gut.« Sie wirkte

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