Das Meer in seinen Augen (German Edition)
und öffnete die Tür. Die Luft fühlte sich heute deutlich kälter an. Unsicher sah er zum Himmel. Graue Wolken. Irgendwie war das passend. Er lief auf die andere Straßenseite und legte den Finger auf den Klingelknopf. Wieder zögerte er. Mittagszeit. Wahrscheinlich kochte Selma gerade und hatte überhaupt keine Zeit für ihn. Vielleicht war das alles doch ... Er drückte. Hinter der Tür ertönte das klassische Glockenspiel. Zu spät. Jetzt musster er auf jeden Fall mit Selma reden. Aber noch immer bestand die Möglichkeit, mit ihr einfach über etwas anderes zu sprechen. Womöglich war sie aber auch gar nicht da. Die Tür öffnete sich.
»Ja?«, fragte Paolo und zog überrascht seine rechte Augenbraue hoch.
»Oh«, machte David. Damit hatte er nun überhaupt nicht gerechnet. Irritiert sah er Paolo an. »Ich wollte ...« Er stockte.
»Ja?«, wiederholte Paolo.
»Ist Selma da?«, fragte David endlich.
»Ja, komm rein.« Paolo trat ein Stück zur Seite, damit David ins Haus konnte. Der wusste aber plötzlich gar nicht mehr so recht, ob er überhaupt zu Selma wollte, wenn ihr Freund ebenfalls da war. Damit stand eigentlich schon fest, dass er ihr nichts über Merlins Affäre sagen konnte. Überhaupt wollte er auf keinen Fall in der Nähe sein, wenn Selma Paolo zur Rede stellte. Zum ersten Mal dachte er daran, dass Selma das Ganze ja auch alles andere als rational aufnehmen könnte. Was war, wenn sie vollkommen ausrastete? Und wie vor allem würde sich Paolo verhalten? Irgendwie wurde David das üble Gefühl nicht los, dass Paolo genau der Machotyp war, der in einer solchen Situation auch mal zuschlagen konnte. So wie er immer aus der Wäsche schaute, war ihm so allerhand zuzutrauen, dachte David. Und er selbst hätte eine solche Auseinandersetzung dann hinaufbeschworen ...
»Merlin ist aber noch nicht da«, sagte Paolo und riss ihn unvermittelt aus seinen Gedanken.
»Ah«, machte David und nickte. Dann fügte er an: »Aber Selma ist da, oder?«
»Das hast du ja schon gefragt.«
David schluckte. Paolos Augen schienen ihn zu durchleuchten. Mit einem Mal hatte er das Gefühl, dass der Kerl über sein Vorhaben Bescheid wusste. David lächelte unsicher.
»Sie ist oben«, sagte Paolo.
David nickte. Zwischen ihnen herrschte eine unangenehme Spannung.
»Selma?«, rief Paolo laut nach oben. »Du hast Besuch!« Dann ging er in die Küche, während David mit einem unbehaglichen Gefühl am Fuß der Treppe stehen blieb. Flüchtig warf er einen Blick hinauf. Dann hörte er endlich Geräusche.
»Kleinen Moment noch!«, rief Selma von oben. Unsicher sah David zur Küchentür. Fast erwartete er, dass Paolo ihn beobachtete.
Kurze Zeit später kam Selma die Treppe hinunter. »Hallo David!«, sagte sie mit einem Lächeln. Sie drückte sich einen feuchten Waschlappen neben das linke Auge.
»Hallo«, antwortete David. »Was ist ...«
»Ach nichts.« Sie zuckte mit der Schulter. »Ich bin einfach ein wenig trottelig. Lass uns ins Wohnzimmer gehen.« Sie schob ihn mit der freien Hand durch die Tür.
Vorsichtig setzte sich David auf den Sessel, während Selma es sich auf der Couch bequem machte. Sie nahm den Lappen kurz von der Schläfe und entblößte eine rote Stelle, die sich ganz sicher zu einem Bluterguss auswachsen würde. David hielt unbewusst die Luft an. Paolo? Gerade hatte er noch darüber nachgedacht, dass der Typ ganz sicher zu sowas fähig war und jetzt ...
»Was ist passiert?«, versuchte es David noch mal.
Selma lachte auf. »Ich bin die Treppe runtergefallen, was glaubst denn du?«
David wusste nicht so recht, wie er Selmas Spruch einordnen sollte und sah sie verdattert an.
»Ich habe mich gestoßen«, erklärte Selma daraufhin.
David nickte unsicher. Er dachte an Paolos durchdringenden Blick und sein Machogehabe.
»Warum bist du rübergekommen?«, fragte Selma plötzlich ernst. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie wusste, dass er nicht nur so zu Besuch kam.
»Ich - mir war langweilig«, sagte David schnell und beobachtete misstrauisch, wie Selma sich wieder den Waschlappen an die Schläfe hielt. »Das gibt sicher ein schönes Feilchen, was?«
»Ich hoffe nicht!« Selma lache. Sie wollte noch etwas anfügen, aber plötzlich stand Paolo im Türrahmen.
»Soll ich euch etwas bringen?«, fragte er.
»Mir nicht, aber David will sicher was zu trinken«, antwortete Selma.
Paolo nickte und verschwand. Kurz darauf kam er mit einem Glas Cola wieder und stellte es vor David ab. Dann setzte er sich neben
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