Das Meer in seinen Augen (German Edition)
kühlen«, sagte er.
Sie nickte und schob ihn nach draußen. Als kurz darauf die Haustüre ins Schloss fiel, atmete sie erleichtert auf. Irgendwie hatte sie das seltsame Gefühl, dass sie Davids Geheimnis gar nicht wissen wollte. Unsicher ging sie in die Küche und schaute aus dem Fenster. Paolo stieg in den Mercedes, aber David sah noch mal zur Tür zurück. In Selma stieg die Angst hoch. Sie ahnte, was nun passieren würde. Und in der Tat öffnete David die Beifahrertür und beugte sich lediglich hinunter um etwas zu sagen. Dann kam er wieder zurück zum Haus. Selmas Beine wurden weich. Also war es doch so wichtig, dass David nicht einfach so gehen konnte. Er musste es ihr vorher noch sagen, sie durfte keine weitere Stunde unwissend bleiben. Ihre Knie wurden weich. Sie wollte es nicht wissen, definitiv nicht. Aber als es klingelte, bewegten sich ihre Beine automatisch. Wie in Trance schwebte sie zur Tür. Es war etwas mit Merlin. David wollte ihr etwas über Merlin sagen, ganz bestimmt. Ihre Hand legte sich auf die Türklinke. Sie spürte das kalte Metall wie feine Nadeln durch die Haut stechen. Noch konnte sie einfach wieder loslassen, nach oben gehen und sich ins Bett legen. Doch sie wusste, dass es dafür bereits zu spät war. Die Gedanken würden sie nicht mehr loslassen. Und über kurz oder lang musste sie es erfahren, ob sie wollte oder nicht. Zumindest schien David fest entschlossen. Die Türglocke schellte zum zweiten Mal. Selma drückte die Klinke hinunter und zog die Tür auf.
»Oh«, machte sie, als hätte sie nicht mit ihm gerechnet. »Hast du etwas vergessen?« Sie lächtelte ein wenig zu doll.
David antwortete nicht. Stumm schob er sich an ihr vorbei in den Flur.
Selmas Lächeln verschwand, als sie die Tür wieder zumachte. »Was ist los?«, fragte sie, ohne sich zu David umzudrehen. In ihrem Hals klopfte es. Sie schluckte. Dann drehte sie sich um und sah ihn an.
»Ich - ich muss dir was sagen«, presste David hervor.
Selma wartete, aber der Junge sprach nicht weiter. Sie nickte vorsichtig. Aber auch davon ließ sich David nicht ermutigen.
»Geht es um Merlin?«, fragte Selma. Ihre Stimme klang überraschend fest.
David nickte und senkte den Blick zu Boden. Selma bemerkte, dass er zitterte, und plötzlich bekam sie Angst. In ihrem Kopf wirbelten zahllose beängstigende Vorstellungen durcheinander. Je länger dieser Augenblick verweilte, desto klarer manifestierte sich ihre Angst. Etwas Schlimmes war passiert.
»David«, platzte sie unerwartet hervor. »Was ist los? Ist er krank? Jetzt sag schon!« Ihre Stimme zitterte leicht.
»Nein.« David sah sie mit nassen Augen an. »Er ...« Wieder kam er nicht weiter.
»Sag es schon endlich!« Selma hatte ihn bei den Schultern gepackt und schüttelte ihn grob.
»Er - er ist nicht - treu«, stammelte David.
Selma ließ ihn los. Mit einem Mal fielen all ihre Ängste von ihr ab. Es ging nicht in erster Linie um Merlin selbst, sondern um David. Er hatte Liebeskummer.
»Oh David«, sagte sie leise und nahm ihn in den Arm. »Es tut mir leid.« Im gleichen Moment schämte sie sich für ihre Erleichterung. Der Junge kam zu ihr, um sein Herz auszuschütten und sie freute sich, dass es nichts Schlimmeres war, als ein Fehltritt ihres Sohnes ...
»Ich - ich wusste davon«, hauchte David leise und löste sich aus ihrerer Umarmung. »Ich hab es gewusst, noch bevor ich Merlin richtig kannte.«
Selma sah ihn verwirrt an. Erst jetzt kam das Gesagte wirklich bei ihr an. Merlin sollte eine Affäre haben? Warum wusste sie nichts davon? Sie erzählten sich doch sonst alles. Außerdem war Merlin doch gar nicht der Typ, der sich etwas aus Liebschaften machte. Er wollte doch immer auf seinen Traumprinzen warten. Selma verstand gerade gar nichts mehr. Was erzählte David ihr hier eigentlich?
»Du hast es gewusst?«, fragte sie ungläubig. »Du hast gewusst, dass Merlin sich heimlich mit einem anderen Jungen trifft?« Selma konnte es einfach nicht glauben. Ihr Sohn sollte ein Doppelleben führen? Warum? Wieso sollte er etwas vor ihr verstecken? »Ich verstehe das nicht«, schloss sie und sah David forschend in die Augen.
»Ich - also - es tut mir leid.« David sah wieder auf den Boden. »Es ist - es ist - Paolo.« Das letzt Wort sprach er kaum aus.
Aber Selma hörte den Namen ihres Freundes dennoch überdeutlich. Plötzlich spürte sie wieder ihre weichen Knie, die jeden Moment unter ihrem Gewicht nachgeben konnten.
»Geh jetzt!«, zischte sie. Die Schärfe in ihrer
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