Das Meer in seinen Augen (German Edition)
was?« Christian erhob sich und verschwand. Kurz darauf klapperte Geschirr und ein Wasserhahn war zu hören. Kaffe wäre jetzt in der Tat nicht schlecht, dachte Merlin. Dann bemerkte er, dass er vollkommen nackt unter der Decke lag. Sein Gehirn suchte sofort in den Erinnerungen an den gestrigen Abend nach einer verfänglichen Situation, konnte aber nichts finden. Überhaupt konnte er sich nicht so recht an das erinnern, was gestern geschehen war. Die Erinnerungsstücke, die ihm geblieben waren, verhüllten sich allesamt in einen dichten Mantel aus Nebel. Nichts bekam er richtig zu fassen. Das änderte aber kein bisschen daran, dass er genau wusste, was passiert war: Seine Mutter hatte ihn mit Paolo erwischt und es war grauenvoll gewesen. Wie er das Haus verlassen hatte, was danach passiert war, wie seine Mutter wirklich reagiert hatte, was mit Paolo war, all das konnte er nicht wirklich klar erinnern. Aber die Tatsache, dass das alles irgendwie passiert war, reichte ihm auch schon. Wahrscheinlich war es sogar besser für ihn, wenn manche Details im Dunklen blieben.
Christian kam mit einer Tasse zurück. Merlin zog schnell die Decke wieder über sich und konnte einen fragenden Blick nicht verhindern.
»Keine Bange, ist nichts passiert«, sagte Christian sofort und reichte ihm die Tasse. »Ich kann mir Erotischeres vorstellen, als vollgekotzte Jungs abzuschleppen.«
Merlin versuchte ein Lächeln, aber es wollte nicht gelingen. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er sich übergeben hatte. Aber er wollte genausowenig nach Einzelheiten fragen. Also nippte er an der Tasse und bekam etwas von dem heißen Getränk mit köstlichem Milchschaum darauf zu schmecken.
»Warum machst du das überhaupt?«, fragte Merlin.
»Na, ich mag den normalen Kaffee eben nicht so gern, außerdem macht so eine Espressomaschine ja schon was her.«
»Das meine ich nicht.«
»Ich weiß«, antwortete Christian.
Sie schwiegen eine Weile, während Merlin den Kaffee trank und sich mehrfach dabei verbrannte.
»Ich hoffe einfach, dass du dich irgendwann doch noch in mich verliebst«, sagte Christian schließlich. »Ich meine, welcher Typ nimmt dich schon von oben bis unten besudelt mit nach Hause, wäscht deine Klamotten und bringt dir auch noch Kaffee ans Bett?«
Merlin musste wohl sehr dumm geschaut haben, weil Christian augenblicklich in schallendes Gelächter ausbrach.
»Man, dein Gesicht hättest du gerade sehen sollen, Kleiner!«
»Ach«, machte Merlin, der immer noch nicht so recht wusste, wie er das einordnen sollte.
»Ich mag dich einfach, okay?« Christian drückte einmal kurz beide Augen zu und lächelte gönnerhaft. »Das ist alles.« Dann räusperte er sich und fügte noch an: »Ach ja, und ich erwarte keinerlei Gegenleistung. Nur für den Fall, dass du dir Gedanken über mein Sexualleben machen solltest, ich habe vorgestern jemanden kennengelernt. Scheint was Ernstes zu werden, obwohl man das ja nie so genau weiß.«
Merlin nickte. Das war alles ein wenig viel so früh am morgen und nach einem solchen Tag wie gestern.
»Bevor ich es vergesse: Wie lang gedenkst du hierzubleiben?«, fragte Christian. »Nicht dass ich dich loswerden will, aber ...« Er schaute mit einem Mal verlegen. »Ich hatte gedacht, dass ich meine neue Eroberung mit hierherbringen könnte am Wochenende. Ich meine, es wäre kein Problem, wenn du trotzdem da wärst, aber ...«
»Kein Problem«, sagte Merlin schnell. »Ich - ich musste nur ...« Ja was? Was musste er nur? Er wollte von zu Hause weg und möglichst viel Entfernung zwischen sich und seine Mutter bringen, um das alles einigermaßen zu verdauen. An was für eine Zeitspanne hatte er da gedacht? Sowas war doch nicht von heute auf morgen gegessen, da brauchte es doch schon ein wenig mehr Abstand, oder nicht?
»Schon gut«, sagte Christian. »Du kannst so lang bleiben wie du willst, wenn es dich nicht stört, dass ich mich nicht die ganze Zeit um dich kümmern kann, okay?«
Merlin wurde rot.
»Das bekommen wir schon irgendwie hin«, fügte Christian an. Aber Merlin bemerkte zum ersten Mal, dass es Christian doch nicht so recht war. Er führte auch ein eigenes Leben, ob Merlin das nun glauben konnte oder nicht. Christian war auch nur ein Mensch und würde gewiss nicht ewig auf eine unerwiderte Liebe warten. Merlin grinste. Und das war gut und okay. Trotzdem ergab sich daraus natürlich das Problem, dass er ihm nicht länger auf die Nerven gehen konnte, als gerade nötig. Womit er wieder bei
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