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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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Nummer von Merlin haben.«
    »Und das hast du ausgenutzt?« Ansgar klang zwar immer noch wütend, aber er schien sich nun wieder unter Kontrolle zu haben.
    »Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist, Ansgar.«
    Hanne schüttelte den Kopf. Es war unglaublich, wie dieser Mann die Facetten wechselte. Von hier oben schien ihr alles viel klarer.
    »Und was macht er jetzt hier?«, fragte Ansgar mit drohendem Unterton.
    »Er liegt in Merlins Bett und liest dessen Gedichte«, sagte Paolo ruhig. »Alles in Ordnung.«
    »Wer es glaubt ...« Ansgar schnaubte.
    Hanne hatte genug gelauscht. Vorsichtig ging sie weiter. Die Türen standen allesamt offen. Sie brauchte einfach nur vorzutreten und überall hineinzusehen.
    »David?«, fragte sie trotzdem leise. Sie fürchtete sich vor dem, was sie möglicherweise zu sehen bekam. Aber es kam keine Antwort. Also ging sie auf das Zimmer zu ihrer Linken zu. Wenn David tatsächlich auf Merlins Bett lag, dann musste es das Zimmer nach vorne raus sein, in das man von drüben einsehen konnte. Wieder dachte Hanne an die Szene zwischen Merlin und diesem Mann. Der Gedanke, dass sich Ähnliches zwischen David und ihm abgespielt haben könnte, machte sie schier wahnsinnig.
    Dann sah sie ihren Sohn aber tatsächlich auf dem Bett liegen. Zusammengerollt lag er da und blätterte in einem Büchlein.
    »David?«, fragte sie noch mal. Aber er rührte sich nicht. Augenblicklich stellte sich die beängstigende Vorstellung ein, dass David vielleicht unter Drogen stand, die er von diesem Widerling verabreicht bekommen hatte.
    »David!«, sagte sie, diesmal forscher.
    David ließ das Büchlein zufallen und drehte sich auf den Rücken. Sein Blick war starr auf die Decke gerichtet. Hanne schluckte.
    »David, jetzt sag doch was!«
    »Was soll ich denn sagen?«
    Erleichtert atmete Hanne aus. Es war alles in Ordnung! Sie eilte zum Bett und setzte sich neben ihren Sohn.
    »David, was ist denn los?«, fragte sie. »Dein Vater und ich sind rasend vor Sorge. Wie kannst du ...«
    »Was hat das mit mir zu tun?«, fragte David tonlos. Seine Augen waren immer noch bewegungslos auf die Decke gerichtet.
    Hanne fasste sich automatisch an den Hals als hätte sie sich verschluckt. »Was das mit dir zu tun hat?«, fragte sie fassungslos. Wie konnte er nur solch eine Frage stellen? »Du bist unser Sohn!« Ihre Stimme wurde lauter. »Wir sind für dich verantwortlich!«
    David rührte sich nicht.
    »Wir - wir wollen, dass du mit rüberkommst«, sagte Hanne und erhob sich wieder.
    David blieb liegen.
    »Du kannst die Hefte mitnehmen.« Hanne hoffte, dass sie ihren Sohn damit überzeugen konnte, musste aber schließlich feststellen, dass sie genauso gut mit einem leblosen Gegenstand hätte sprechen können.
    »David«, versuchte sie es noch mal, »wir wollen nicht, dass du hierbleibst.« In ihr brannte es. Wie konnte David nur so eisern gegen sie arbeiten? Was war geschehen? Plötzlich stieg Wut in ihr auf, die sich gegen ihren eigenen Sohn richtete.
    »Hast du schon vergessen, dass dieser Mann deinen Freund ...« Sie konnte die entscheidenden Worte nicht aussprechen.

    116

    David spürte wie sich die Tränen in seinen Augen sammelten. Er versuchte sie zurückzuhalten, blinzelte ein paar Mal, aber es war zu spät. Also schloss er die Augen und wartete einfach, dass es aufhören würde. Letztlich hatte seine Mutter recht. Was suchte er hier drüben? Merlin war fort. Warum wollte er dennoch hier bleiben? Er dachte an den Kuss, der ihn unerwartet hinweggespült hatte wie die Welle einen Strandkrebs. Es hatte sich so unglaublich angefühlt. Die ersten Küsse von Paolo hatten zwar ebenfalls Feuer gehabt, doch das Erzwungene hatte seiner Leidenschaft ein wenig den Appetit genommen. Nun, da er ihn aber selbst geküsst hatte, war ihm mit einem Mal alles, was er vorher mit Merlin erlebt hatte, wie ein längst vergangener Traum vorgekommen. Fast war es so, als wäre Merlin mit diesem Kuss ein Stück weit gestorben. Zwischen ihnen lag jetzt nicht nur die Entfernung, sondern auch diese Kluft, die er so zwischen sie gebracht hatte.
    Und genau das hielt ihm seine Mutter nun vor. Sie hatte zufällig ins Schwarze getroffen. Er war im Begriff, sich genau mit dem Mann einzulassen, der seinen Freund - gefickt hatte. Das waren doch die Worte, die seiner Mutter nicht über die Lippen wollten.
    »David«, sagte seine Mutter erneut und setzte sich wieder auf das Bett.
    David wünschte sich, seine Eltern würden einfach gehen und ihn hier lassen.

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