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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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die vierte Schule besuche.«
    David staunte. »Nicht schlecht.«
    »Bevor wir hier her kamen, haben wir ein Jahr in der Nähe von Berlin gewohnt. Davor in Ostfriesland, das war eine ganz tolle Zeit. Wir sind hingezogen, da war ich zehn oder so. Zur Grundschule ging ich in Bremen. Tja, und davor waren wir irgendwo in Bayern unterwegs.«
    Sie blieben stehen und David beobachtete neugierig, wie Merlin in Erinnerungen schwelgte. Erst in diesem Licht fiel David auf, wie rot Merlins Haar war. Allein seine Augen störten ihn irgendwie, aber er konnte nicht festmachen, was genau es war, das ihm unpassend erschien. Eigentlich war es nicht ungewöhnlich, dass jemand mit roten Haaren braune Augen hatte. Trotzdem schien ihm das nicht stimmig zu sein.
    »Bist du noch da?«, fragte Merlin plötzlich und grinste ihn an.
    David zuckte zusammen. Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass Merlin gar nicht mehr sprach. Verschämt nickte er und hoffte, dass seine Blicke nicht aufgefallen waren. »Klar bin ich noch da«, sagte er und ärgerte sich über seine Gedankenlosigkeit.
    »Gut, ich dachte schon ich hätte dich mit meiner Laberei eingeschläfert oder so.«
    »Nein, nein, ich fand's interessant«, beeilte sich David zu sagen.
    »Dafür hast du ganz schön abwesend ausgesehen.« Merlin lachte.
    Also hatte er es doch bemerkt. David wurde rot. »Ich - ich hab nur darüber - nachgedacht, was du für ein aufregendes Leben geführt haben musst.«
    »Aufregend trifft es nicht ganz, verrückt vielleicht schon eher.« Er zwinkerte David zu. »Meine Mutter ist sehr speziell. Wirst du schon noch merken, wenn du ...« Merlin brach ab und sah plötzlich weg.
    Fieberhaft suchte David nach einer Möglichkeit, Merlin weitersprechen zu lassen, aber ihm wollte nichts einfallen. Mensch, das war so gut wie eine Einladung, dachte er, wenn er jetzt nur irgendwas Passendes sagen könnte. Aber sein Mund war wie verklebt. Also verstrich die Gelegenheit und die Stille zwischen ihnen zog sich, bis sie unangenehm wurde.
    »Wir sollten mal weitergehen«, sagte Merlin schließlich und kehrte auf den Weg ein, der sie über die Wiese führte.
    David trottete hinter ihm her. Sein Blick fiel immer wieder auf Merlins Hintern, der sich in der Jeans hin- und herbewegte. Er zwang sich, woanders hinzugucken. Noch immer wollte ihm kein vernünftiger Satz einfallen, den er hätte anbringen können, damit sie sich zusammen auf die Bank setzen konnten.
    Schließlich blieb Merlin an der Trauerweide stehen. Wie auch schon gestern schien es, als ob er etwas sagen wollte. David sah ihn fragend an.
    »Ich - muss dir etwas sagen, David«, sagte Merlin.
    Plötzlich wurde David ganz kalt. Er wusste, was jetzt kommen würde. Eine Welle der Panik ergriff ihn. Wenn Merlin sich jetzt vor ihm outete, dann bedeutete das doch für ihn, dass er es ihm nachmachen musste. Zumindest, wenn er später nicht dumm dastehen wollte. Oder war es erlaubt, ein solches Geständnis entgegenzunehmen, selbst aber keines zu machen, obwohl man - das Gleiche zu gestehen hatte? Schweiß stand ihm plötzlich auf der Stirn. Verrückt! Merlin wollte ihm gestehen, dass er schwul war, und er bekam einen Anfall. Aber David war einfach noch nicht bereit dafür. Er konnte und wollte sich jetzt nicht damit auseinandersetzen.
    Merlin sah ihn eindringlich an. »Stimmt was nicht?«
    »Was?«, presste David heraus.
    »Ja, das will ich von dir wissen. Was ist los?« Merlin schien mit einem Mal besorgt. Er machte einen Schritt auf David zu und umfasste seinen Arm.
    »Ich - ich bin - okay«, stammelte David, obwohl ihm von der Berührung schwindlig wurde. Alles drehte sich auf einmal zur Seite und wieder zurück, wackelte, verwischte vor seinen Augen. Eine zweite Hand griff nach ihm. Dann saß er plötzlich auf dem Boden.
    »Hey!«, rief Merlin und fuchtelte mit den Händen vor seinem Gesicht herum.
    Schockiert realisierte David, dass er soeben zum ersten Mal in seinem Leben zusammengebrochen war. Erschrocken blickte er auf die Straße zurück, um zu kontrollieren, dass es auch niemand gesehen hatte. Nicht auszudenken, was seine Mutter für ein Theater machen würde, wenn sie das kleine Schauspiel zufällig mitbekommen hatte. Aber die Häuser waren noch ein Stück entfernt und alles blieb ruhig.
    »Geht's wieder?«, fragte Merlin, der immer noch über ihm gebeugt stand.
    »Ja«, sagte David leise. »Glaub schon.«
    »Mann, du kannst einem ja echt Schiss machen«, sagte Merlin mit einem erleichterten Lachen. »Hab schon

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