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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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Merlin. Trotzdem hatte dieses Adjektiv einen bitteren Beigeschmack.
    Sie schwiegen ein paar Minuten. Dann stellte David fest: »Meine Eltern bringen mich um, wenn sie das erfahren.«
    Dummerweise konnte Merlin nichts Gegenteiliges behaupten. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass diese Eltern auch nur einen Funken Verständnis aufbringen würden.
    »Du musst es ihnen nicht sofort sagen. Schau erst mal, dass du selbst damit klarkommst«, sagte Merlin.
    »Ich sag es ihnen besser nie.« David seufzte.
    »Es ist deine Entscheidung.« Merlin legte seine Hand auf Davids Bein. »Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.«
    »Danke.« David nahm Merlins Hand und hielt sie. Schließlich sagte er: »Ich hätte nie gedacht, dass ich es mal jemanden sage.« Er schwieg einen Moment, dann fügte er an: »Aber ich hab auch nie geglaubt, dass es jemanden anderes gibt, der ebenfalls ...« Er sprach nicht zu Ende.
    Merlin dachte kurz darüber nach, wie allein er sich am Anfang gefühlt hatte. Irgendwie schien das typisch für Schwule zu sein, dass sie immer dachten, vollkommen allein mit ihrem Schicksal zu sein.
    »Du glaubst gar nicht, wie viele es gibt«, sagte Merlin und grinste. »Auswahl ohne Ende.«
    »Irgendwie kommt mir der Gedanke - unwirklich vor.«
    »Das kenne ich.« Merlin lächelte. »Lass dir einfach ein wenig Zeit, dich daran zu gewöhnen.«
    David sah auf die Uhr und erhob sich. »Ich glaub, ich geh langsam mal rein, sonst kann ich mir wieder eine Reihe von Fragen reinziehen.«
    »Du Armer«, sagte Merlin und stand auf. David grinste ihn an.
    »Ja, du musst mich kräftig bemitleiden.«
    »Ach, du willst doch nur wieder in den Arm genommen werden.«
    David wurde rot.
    Schnell lenkte Merlin ab und fragte: »Du willst nicht zufällig noch mit zu mir?«
    »Nein, danke«, sagte David.
    Merlin spürte Enttäuschung in sich aufsteigen. Er wollte nach diesem Gespräch nicht allein sein. Zum ersten Mal hatte er den richtigen David vor sich.
    »Vielleicht heute Abend?«, fragte er trotz seines Vorsatzes, den Jungen nicht zu nerven.
    »Nein«, wiederholte David. »Aber - wenn du magst, kannst du ja mit zu mir.«
    »Ja«, presste Merlin hervor. Ja, das wollte er. Danke.

    43

    David schloss aufgeregt die Haustür auf. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Seine Mutter würde wieder tausend Fragen stellen.
    »Ähm, meine Mutter - du weißt ja, wie sie ist ...«, flüsterte er Merlin zu.
    Der nickte nur und setzte ein verschmitztes Grinsen auf.
    »Mam?«, rief David, als sie das Haus betraten. Sofort kam sie aus dem Esszimmer.
    »Oh, du bringst Besuch mit«, sagte sie erstaunt. Ihr Gesichtsausdruck wechselte von Freude zu einem unbestimmten Zweifeln. »Ich glaube, das ist heute gar nicht so passend.«
    Der Satz traf David wie eine Keule. Hilflos blieb er stehen, sah kurz zu Merlin, der sich nichts anmerken ließ und wandte sich dann wieder seiner Mutter zu.
    »Warum?«, fragte er. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass es seinen Eltern nicht recht war, wenn er das schlecht erzogene Kind von den unliebsamen Nachbarn mit nach Hause brachte. Aber dass seine Mutter gleich so abweisend reagierte, erschreckte ihn.
    »Dein Vater und ich haben beschlossen, dass wir heute zusammen ausgehen«, sagte Hanne und lächelte unverbindlich. »Der Tisch ist schon bestellt.«
    »Wann soll's denn losgehen?«, fragte David, dem diese Ausrede ziemlich banal vorkam.
    Seine Mutter schwieg einen Augenblick, dann sagte sie leise: »Heute Abend.«
    »Dann haben wir doch noch Zeit.«
    »Aber, wie sieht es mit deinen Hausaufgaben aus?« Sie durchbohrte ihn mit ihrem Blick.
    »Dafür bringe ich Merlin mit. Wir werden zusammen lernen.«
    »Er gibt mir Mathenachhilfe«, sagte Merlin.
    Hanne lächelte und nickte ihm zu. »Ja, gut.« Sie drehte sich um und verschwand wieder.
    In David brodelte es. Sie hatte Merlin nicht mal begrüßt! Wütend stieg er die Treppe hinauf. Wenigstens schien sich Merlin nicht abschrecken zu lassen. Als sie oben in seinem Zimmer angekommen waren, legte er seine Tasche ab und schnaubte verächtlich. »Ausgehen!«
    Merlin sah ihn unsicher an.
    »Mach dir nichts draus. Die sind seit dem Grillabend nicht mehr ganz dicht«, erklärte David und lächelte bitter.
    »Okay«, flüsterte Merlin und setzte sich vorsichtig auf das ungemachte Bett.
    »Oh, verdammt«, sagte David und stürmte auf ihn zu. »Entschuldige, ich - bin nicht so - ordentlich.«
    »Kein Problem.« Merlin stand wieder auf, damit David das Bettzeug glattziehen

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