Das Meer in seinen Augen (German Edition)
konnte.
»Hab nicht damit gerechnet, dass ich - also, dass du mitkommst.« Hastig kickte David eine benutzte Unterhose unters Bett.
Merlin lachte. »Jetzt komm mal wieder runter!«
David strich über die Bettdecke und sah sich hektisch um. Er hatte keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass er heute Morgen einfach raus war. Bei Merlin sah es im Gegensatz dazu wirklich ordentlich aus. Neben dem Schreibtisch lagen noch Socken. Schnell kickte er sie ebenfalls unters Bett.
»Wenn du die da mal nicht vergisst«, sagte Merlin und zwinkerte ihm zu.
»David?« Hanne klopfte an die Tür.
»Was denn?«, fragte David genervt und verdrehte die Augen, während Merlin ihn belustigt anschaute.
Die Tür ging auf. »Ich wollte nur anmerken, dass du demnächst vielleicht vorher Bescheid gibst, wenn Besuch kommt. Es muss ja nicht sein, dass dein Zimmer so chaotisch aussieht.« Sie sah ihn vorwurfsvoll an. »Entschuldige, Marvin, aber ...«
»Merlin«, sagte David, »er heißt Merlin.«
»Ah ja, also, es sieht hier nicht immer so aus.«
»Schon in Ordnung, Frau Gessen«, sagte Merlin, »bei mir sieht es auch nicht besser aus.«
»Kann ich mir kaum vorstellen«, antwortete Hanne in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie sich das doch sehr gut vorstellen konnte. Dann richtete sie sich wieder an David: »Kommst du mal kurz runter? Ich möchte gern was mit dir besprechen.«
»Muss das unbedingt jetzt sein?«, fragte David.
»Sonst hätte ich nicht jetzt gefragt«, sagte seine Mutter und verließ das Zimmer.
»Tut mir leid«, murmelte David Merlin zu. »Ähm, du kannst ja schon mal deine Sachen auspacken.«
»Du bist dir sicher, dass ich nicht doch besser gehe?«
Davids Hals pochte. »Ja«, sagte er leise. »Bitte bleib, ich klär das, okay?«
Merlin nickte und setzte sich wieder aufs Bett, während David nach unten lief. Seine Mutter saß am Esstisch und tat so, als lese sie in einer ihrer Frauenzeitschriften.
»Was gibt es?«
Sie sah auf. »Das frage ich dich.«
»Bei mir gibt es nichts«, sagte David betont langsam.
»Du weißt, dass ich und dein Vater das nicht gut heißen, oder?«
»Was?« David sah seiner Mutter starr ins Gesicht. Natürlich wusste er, worauf sie hinauswollte, aber warum sollte er es ihr leicht machen?
»Wir haben doch darüber gesprochen. Ich möchte nicht, dass du dich mit diesem Jungen abgibst. Das ist kein ...«
»... Umgang für mich, ja, ja«, beendete David den Satz. »Findest du nicht, dass ich langsam alt genug bin, das selbst zu entscheiden?«
Hanne sah ihn erschüttert an.
»Mam, es ist nicht mein Problem, wenn ihr mit euren Nachbarn nicht klarkommt. Aber ich verstehe mich mit Merlin nunmal gut. Wir gehen in dieselbe Klasse und ich sitze neben ihm. Ich verstehe nicht, was du dagegen hast, wenn ich ihm ein wenig bei Mathe helfe.«
»Nichts«, sagte sie steif. »Ich habe nichts dagegen.« Sie zögerte. »Aber heute erscheint mir das einfach - unpassend.«
»Ich verstehe nicht, was das miteinander zu tun hat.«, sagte David.
»Du hast dich verändert«, stellte seine Mutter fest. In ihrer Stimme klang Vorwurf.
David schluckte.
»Du bist so erwachsen.«
»Ja, Mam«, sagte David, weil er nicht wusste, was er dazu sagen sollte.
»Wir wollen gegen sieben los.«
In Davids Kopf spielte sich in Sekundenschnelle eine Lösung ab: Er würde Merlin seiner Mutter zuliebe rüberschicken und sich dann heute Abend krank stellen, damit er nicht mit musste. Und wenn er dann sturmfrei hatte, konnte er Merlin Bescheid geben ...
Er verwarf den Gedanken. Wie sollte er Merlin dieses Spiel denn erklären? Wollte er immer warten, bis seine Eltern mal nicht da waren? Er räusperte sich.
»Mam?«
Sie sah ihn betrübt an.
»Ich glaube, ich werde heute Abend nicht mitkommen«, sagte er fest.
»Warum?«
»Weil ich mit Merlin einen Film gucken will.«
Auf ihrer Stirn schoben sich die Sorgenfalten übereinander.
»Außerdem denke ich, dass es doch für euch auch mal ganz schön wäre, wenn ihr ein wenig Zeit ohne mich verbringt.«
Sie lächelte. Doch der traurige Ausdruck verschwand nicht. David wusste, dass sie ihn damit bezwingen wollte. Nur, seine Mutter hatte keine Ahnung, wie sehr er sich einen gemeinsamen Abend mit Merlin wünschte. Er musste standhaft bleiben!
44
Obwohl er an der offenen Tür stand, konnte Merlin nicht wirklich verstehen, was David unten mit seiner Mutter besprach. Vielleicht war das auch ganz gut so. Er wusste, dass er nicht willkommen war. Aber
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