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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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Würde er sie erkennen, wenn er sie sah? Mirja vertraute darauf, dass er ihr half, sie zu finden.
    Meggie Marie.
    Sieben Jahre lang hatte Mirja auf ihre Mutter gewartet. Oft hatte sie am Ufer gestanden und hinaus aufs Meer geschaut, hatte die Wellenkämme abgesucht und auch den Horizont. Aber obwohl Mirja immer auf Meggie Marie gewartet hatte, hatte sie ihre Mutter nie gebraucht.
    Denn sie hatte ja Signe. Signe mit dem stacheligen weißen Haar und ihrer vernünftigen, praktischen Ader und ihrem Talent, den gebrochenen Flügel einer Möwe zu heilen. Aber heute, in dieser dunklen, dunklen Nacht, war Signe stinksauer auf sie.
    Heute brauchte Mirja Meggie Marie. Heute reichte das Warten nicht mehr aus.
    „Wenn wir sie nicht finden …“ Mirja ließ den Satz in der feuchten Luft versickern. Wo war bloß der Mond?
    22 Mirja und BF waren nicht die Einzigen, die draußen in der dunklen Nacht waren. Mr Beauchamp und sein einäugiger Kater Sindbad saßen auf ihrer Veranda und warteten darauf, dass der Mond aufging. Der alte Mann ruhte zusammengesunken in seinem Schaukelstuhl, die Augen in einem unruhigen Schlaf geschlossen. Er und Sindbad warteten schon seit langer Zeit auf diesen Mond, warteten darauf, dass er den nachtblühenden Kaktus bescheinen und die prallen Knospen zum Erblühen bringen würde.
    Der alte Mann rang im Schlaf keuchend nach Atem. Sindbad rieb seinen Rücken am dünnen Bein seines Herrchens und drückte sein Gesicht gegen das knochige Schienbein. Er hörte den rasselnden Atem des alten Mannes. Bei jedem rauen Ein- und Ausatmen des Menschen schlich sich die Vorahnung der nahenden Einsamkeit in das Herz des Katers. Sindbad und Mr Beauchamp waren schon sehr lange zusammen, aber der Kater wusste, dass dem alten Mann nicht mehr viel Zeit blieb.
    Sindbad blinzelte mit seinem gesunden Auge und sprang auf das Verandageländer. Er betrachtete den sternenübersäten Himmel. Manchmal ließ sich ein blauer Mond Zeit, das wusste Sindbad. Er hob eine Vorderpfote und säuberte sie gründlich mit seiner rauen Zunge. Dann schaute er über das Becken zu der Stelle, wo das kleine Boot am Anleger festgemacht war.
    Ahoi! Was war denn das? Von seinem erhöhten Sitz aus sah Sindbad das Mädchen und den Hund. Da soll mich doch …! , dachte der Kater. Was machten das Mädchen und der Hund um diese Zeit noch draußen? Und noch dazu im Boot? Sollte nicht irgendjemand von den Großen bei ihnen sein? Er schaute sich um. In keinem der Häuser brannte Licht.
    Wieder blickte er über das Becken. Die Flut stieg und hob das Boot an. Er hoffte, das Seil würde halten. Denn ansonsten würde das Wasser das Boot, den Hund und das Mädchen durch den Kanal hinaus aufs offene Meer ziehen, sobald der Mond aufgegangen war.
    Aufs offene Meer hinaus? Sindbad hatte seine eigenen Erinnerungen an die Seefahrt, und nicht alle davon waren angenehm. Er schabte seine Krallen am Holz des Geländers. Vielleicht sollte er jemanden alarmieren? Ja, das war eine gute Idee. Der Kater holte tief Luft, um ein lautes Miaaauuuu! von sich zu geben, als er aus dem Winkel seines gesunden Auges etwas im Boot aufblitzen sah.
    Blink!
    Was war das?
    Blink!
    Da! Schon wieder! Hatte das Mädchen ein Streichholz angezündet?
    Blink!
    Er blinzelte.
    Nein. Das war doch nicht möglich. Nicht nach all den Jahren.
    Blink!
    Aber was sollte es sonst sein? Das Aufblitzen war unverkennbar. Ein Porte-bonheur! Er hing an einem Band um ihren Hals. War es tatsächlich derselbe? Oder ein anderer? Nein, er war es, ganz gewiss. Aber wie war das Mädchen zu diesem unvergleichlichen Glücksbringer gekommen?
    Ein Porte-bonheur war sehr selten, und wenn dies derjenige war, für den Sindbad ihn hielt, war er vor sehr langer Zeit verloren gegangen. Er sprang von dem Verandageländer und rollte sich auf Mr Beauchamps Schoß zusammen. Die Sorge in seinem Bauch lockerte sich ein wenig. Vielleicht konnte das Mädchen … aber nein … es war zu lange her … unmöglich, dass sie … oder? … ein Dutzend Katzenleben waren seitdem vergangen … und trotzdem, es war ein Glücksbringer … vielleicht …
    Nur vielleicht.
    Er schickte einen Wunsch in den Himmel, der Mädchen und Hund Glück bringen sollte: Findet, was verloren ging. Es war ein guter Wunsch, so schimmernd wie das gesunde Auge des Katers. Und dann lockte er mit seinem Schnurren den zögerlichen Mond herbei.
    23 Gerade als Mirja eine Nanosekunde lang Zweifel daran überkamen, ob sie ihre Mutter tatsächlich finden würde, sprang ihr ein

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