Das Meer und das Maedchen
zu, wie Dogie beide Arme in die Höhe hob wie ein Dirigent und zu den Hunden sagte: „T…t…tummelt euch, ihr Viecher.“ Und wie der Blitz sausten BF und Zwei am Strand entlang. Captain begleitete sie in der Luft.
Mirja trank einen großen Schluck der eiskalten Flüssigkeit.
Sie brannte in ihrer Kehle, und Mirja wünschte sich inständig, dass sie eine Schale Müsli gegessen hätte, anstatt die verdammten Krabben freizulassen.
Krabben.
Und Rosen.
Und der nachtblühende Kaktus.
Und Signes zerbrochene Holzschale.
Und ein zitternder, gekrümmter Mr Beauchamp.
Und eine weinende Signe.
Sie musste es Dogie erzählen. Musste ihm alles erzählen.
Sie nahm noch einen Schluck Limonade und zögerte das Unvermeidliche so lange hinaus wie möglich. Aber noch bevor sie überhaupt fertig schlucken konnte, hatte Dogie seine Ukulele herbeigeholt und angefangen zu singen: „Heirate mich, heirate mich.“ Er grinste sie verschwörerisch an.
Sein Grinsen war so strahlend wie die Sonne, die mittlerweile den blauen Himmel erobert hatte. Den ganzen Sommer lang hatte Mirja ihn dieses Lied singen hören. Den ganzen Sommer lang hatte er geübt, Signe diese beiden Worte vorzusingen, heute, in der Nacht des blauen Mondes. Heute sollte es so weit sein. Da stand es, dick und fett auf dem Kalender, der über dem Fahrersitz des Busses hing.
Wie sollte sie Dogie beibringen, dass sie alles ruiniert hatte?
Ihre Beine fingen an zu zucken. Sie wollten losrennen, weiter und immer weiter, um so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die Krabben und Rosen zu bringen.
Hinter Dogies Rücken, jenseits der klingenden Ukulele, jenseits der Brandung, weiter draußen, da lag die Sandbank – De Vacas Fels. Nur die Nasenspitze ragte aus dem Wasser.
Die unausgesprochene Beichte samt Entschuldigung steckte in Mirjas Bauch fest und verursachte ihr Übelkeit. Die Limonade gurgelte in ihrem Magen.
Sie musste es Dogie jetzt sagen. Das mit den Krabben. Und mit dem Gumbo. Und alles andere. Sie machte den Mund auf, um den Knoten aus Worten dort drinnen zu entwirren. Aber gerade als sie damit herausplatzen wollte, hörte sie eine vertraute Stimme: „Komm her! Komm her!“ Captain, gefolgt von BF und Zwei, flog an ihnen vorbei. Und ohne nachzudenken, sprintete Mirja hinterher.
34 Dogie schaute ihnen nach, den beiden Hunden, der Möwe und dem Mädchen. Er merkte, dass Mirja etwas auf dem Herzen hatte. Sie hatte ihm nicht in die Augen schauen können. Er hatte noch nie erlebt, dass sie so lange den Blick gesenkt hielt. Irgendetwas beschäftigte sie.
Er lockerte seine Schultern. Sie würde es ihm sagen, wenn ihr danach war. Er wusste, wie es war, wenn sich die Worte im Mund verhedderten.
Dogie war nicht in der Oyster Ridge Road geboren. Er stammte nicht einmal aus Texas. Er war in New Jersey aufgewachsen. Aber kurz vor seinem Abschluss an der Highschool war ein sehr überzeugender Armee-Anwerber aufgetaucht und hatte sich beim Mittagessen im Speisesaal an Dogies Tisch gesetzt. Kaum hatte Dogie seinen Abschluss gemacht, fand er sich schon im Ausbildungslager der U. S. Army wieder. Drei Monate später trottete er mit klappernden Zähnen und einem Gewehr auf dem Rücken durch die Hügel eines weit entfernten fremden Landes, während ringsum die Bomben explodierten. Als alles vorbei war und er wieder nach Hause nach New Jersey kam, konnte er nicht aufhören zu zittern. Seine Hände zitterten. Seine Knie zitterten. Er konnte weder essen noch schlafen. Sogar sein Kopf zitterte.
Wie er auf dem Sofa seiner Mutter saß, hatte er Angst, vor lauter Zittern in Stücke zu zerbrechen. Er fürchtete, dass seine Knochen auseinanderfallen und sich im ganzen Raum verteilen würden, wenn er nicht aufhörte zu zittern. Eines Tages setzte sich seine Mutter neben ihn auf das Sofa, nahm ihn fest in die Arme und sagte ihm, dass er keine Angst mehr haben müsse.
„Dogie“, sagte sie, „alles ist gut.“ Und vielleicht war es ihre Umarmung. Vielleicht brauchte er nur jemanden, der ihm versicherte, dass alles in Ordnung war. Er wusste es nicht. Jedenfalls hörte das Zittern auf, ganz plötzlich. Nur das Zittern in seiner Stimme nicht.
Der Arzt im Militärkrankenhaus meinte, dass er vielleicht für den Rest seines Lebens stottern würde, vielleicht aber auch nicht. Für Dogie spielte das keine Rolle. Mit dem Stottern konnte er leben. Hauptsache, der Rest von ihm hielt endlich still.
Dann nahm er das Geld, das er während des Krieges gespart hatte, und kaufte einen
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