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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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kleine Motte.“
    Signe sprach nie über das zweite Mal. „Zweimal ist mehr als genug“, war alles, was sie dazu sagte.
    Aber Mirja dachte nicht allzu angestrengt über Signes Schwimmerfahrungen nach. Sie konzentrierte sich darauf, alles über das Boot zu lernen.
    Im Becken, in der Lagune, hatte ihr Dogie gezeigt, wie man mit den Rudern umging, wie man das Boot dazu brachte, auf die Ruder zu reagieren. Der Flitzer war ein feines kleines Boot. Es lag gerade so tief im Wasser, dass man die schimmernden Sonnenbarsche sehen konnte, die im Becken lebten, und huschte so leicht über die kleinen Wellen, als hätte es Flügel. Manchmal, wenn sie ganz früh aufstanden und hinausfuhren, erhaschten sie sogar einen Blick auf die verschiedenen Rochenarten, die mit der Flut in das Becken glitten.
    Mirja fand die Rochen wunderschön. Sie flogen durch das Wasser und ihre breiten Flügel bewegten sich wellenförmig, wie das Echo der Strömung. Sie sahen aus wie Engel. Wie Wasserengel. Mirja hatte noch nie einen Engel gesehen, aber sie stellte sich vor, dass sie wie die graubraunen Rochen aussahen, die unter dem Flitzer hinwegglitten.
    Sie waren ohne Frage cooleoleo.
    „P…p…pass bloß auf die Schwänze auf“, warnte Dogie. Mirja wusste, dass die Schwänze der Stachelrochen gefährlich waren, aber wenn sie die Rochen betrachtete, wie sie dicht unter der Wasseroberfläche schwebten, erinnerten sie sie trotzdem an Engel.
    Dann setzte Dogie eine zweite Warnung hinzu, aber die hatte nichts mit den Rochen zu tun. „Fahr n…n…niemals zu n…n…nah heran …“, sagte er und deutete auf die schmale Rinne, die zwischen den Sanddünen verlief und der Gezeitenströmung erlaubte, das Becken mit Meerwasser zu füllen und wieder zu leeren.
    Wenn sie zur falschen Zeit zu nah an diese Rinne kam – wenn der Mond das Wasser wieder hinauszog –, würde sie mitgerissen werden, raus aufs Meer.
    Heute Nacht war genau das ihr Plan. Punkt H.
    Mirja schaute auf. Da war er! Ein schmales Band, der Rand des Mondes, lugte aus einer fast unsichtbaren Wolkenbank hervor.
    „Das wurde aber auch Zeit!“, sagte sie zu ihm. Und als ob der Mond sie gehört hätte, schickte er eine weitere Welle unter das Boot und hob es an, sodass es jetzt dicht am Anleger schaukelte und mit einem entschiedenen RUMS gegen das Holz schlug. Das Seil hing schlaff durch.
    Das war das Zeichen. Es war Zeit. Zeit! Und bei diesem Gedanken zog Mirja mit aller Kraft an dem losen Knoten, mit dem das Boot am Anleger befestigt war.
    Punkt F. Erledigt!
    F wie „frei“!
    Sie waren frei, frei, frei! Als wäre der Flitzer genauso glücklich über diese Freiheit, zitterte er vom Bug bis zum Heck. Hinaus ins offene Wasser! Mirja stand auf und vollführte einen kleinen Glückstanz, geradewegs unter dem aufgehenden Mond.
    Aber statt auf die Rinne zuzusteuern, wie Mirja es geplant hatte, drehte das Boot ab und schaukelte in die entgegengesetzte Richtung, auf die Salzgrassümpfe zu, genau dorthin, wo Mirja nicht hinwollte.
    40 „Neeeiiiiiiin!“, brüllte Mirja. „Nein, nein, nein, nein, nein!“
    Sie würde nicht in die falsche Richtung fahren, nicht nach dieser ganzen Warterei, auf gar keinen Fall, oh nein, ganz bestimmt nicht! Sie würde nicht in den morastigen Sümpfen stecken bleiben, wo es von riesigen Schnappschildkröten nur so wimmelte. Nicht nur irgendwelche Schnappschildkröten, sondern die berüchtigten Geierschildkröten. Nein, nein und nochmals nein! Da konnte sich die ganze Welt auf den Kopf stellen, Mirja würde nicht zulassen, dass ihr Boot – Dogies Boot – in den Sumpf trieb, wo sie dann um Hilfe rufen müsste und noch schlimmeren Ärger bekäme, als sie ohnehin schon hatte.
    „Nein, nein, nein, nein, nein!“
    Schnell setzte sie sich wieder hin, griff nach den Rudern, legte sie in die Dollen und fing an zu rudern. Das war lange nicht so einfach, wie es bei Dogie ausgesehen hatte. Sie zog besonders stark an dem linken Ruder, um das Boot zu wenden, aber die Flut, auf die sie so endlos lange gewartet hatte, rollte jetzt mit wachsender Wucht heran.
    Sie hatte das Boot zu früh losgebunden. Sie hätte so lange warten müssen, bis die Flut ihren Höchststand erreicht hatte. Wie hatte sie das nur vergessen können? Es stand doch schwarz auf weiß unter Punkt F.
    Zu spät.
    Egal wie heftig sie zog und zerrte, der Flitzer wollte einfach nicht abdrehen.
    „Grrrrr …“ Mirja knirschte mit den Zähnen. „Dreh dich!“, brüllte sie, aber die Nase des Bootes änderte ihre

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