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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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Richtung kein bisschen.
    Während sie sich zurücklehnte und mit den Ruderblättern tief ins Wasser grub, hätte sie schwören können, bereits das Schnipp-Schnapp der Schnappschildkröten zu hören, die nur darauf warteten, einen Leckerbissen zwischen ihre schnappenden Kiefer zu bekommen.
    41 Captain war aufgewacht. Er saß in seinem Nest in der Sabalpalme und spürte ein Jucken am Hinterkopf. Mit geschlossenen Augen plusterte er sein Gefieder auf und kratzte sich mit dem Fuß an besagter Stelle. Er machte es sich bequem und wartete darauf, wieder einzuschlafen.
    Das Jucken blieb. Oh, oh. Kein gutes Zeichen .
    Er klappte die Augen auf. Captain hatte einen tiefen Seemöwenschlaf. Außer einem kräftigen Sturm gab es nur zweierlei, was ihn mitten in der Nacht aufwecken konnte. Das eine war ein Jucken und das andere eine böse Vorahnung.
    Gegen das Jucken konnte er etwas unternehmen und dann weiterschlafen. Aber eine böse Vorahnung ließ sich nicht so einfach wegkratzen. Heute Nacht half Kratzen nichts. Denn was ihn plagte, war tatsächlich eine böse Vorahnung.
    Aber warum?
    Er schaute zu dem dunklen Haus. Alles fest verschlossen, wie jede Nacht. Er warf einen Blick über die Straße und sah Mr Beauchamp und Sindbad auf der Veranda sitzen. Auch Dogies und Zweis Haus war wie gewöhnlich dunkel und still. Er schaute in den Nachthimmel. Da war der Mond, genau wo er sein sollte. Alles schien an seinem Platz zu sein.
    Trotzdem konnte er das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas nicht stimmte. Dann schoss ihm eine Frage durch den Sinn: War BF in Gefahr? Die Vorahnung juckte jetzt wie verrückt. Er stand auf und schüttelte den Kopf. Er lauschte. Aber er konnte BF s Stimme nicht hören. Wenn der Hund ihn brauchte, würde er doch heulen und nach ihm rufen.
    Er spähte in die feuchte Luft.
    Nichts.
    Wieder plusterte er seine Federn auf und breitete dann seine Flügel aus. Er streckte seinen gesunden Flügel weit über den Rand seines Nestes hinaus und testete mit den Federspitzen die Windstärke.
    Dann tat er das Gleiche mit dem Flügel, der seit dem Unfall in Signes Küche leicht geknickt war. Autsch! In diesem Flügel verspürte er stets einen leichten, schmerzenden Stich. Er schlug ein paarmal mit den Flügeln, um den Stich abzuschütteln. Dann schaute er sich wieder um. Sein Magen knurrte.
    Aha! , dachte er. Vielleicht habe ich bloß Hunger .
    Möwen sind immer hungrig. Das ist die reine Wahrheit: Sie haben täglich vierundzwanzig Stunden lang Hunger. Selbst wenn sie schlafen, haben sie Hunger. Eine Möwe ist eine Fressmaschine. Captain war keine Ausnahme.
    Er zog die Flügel wieder ein und bewunderte sein Gefieder, das im Mondlicht schwarz und weiß glänzte und schimmerte. Aber dann riss er sich von dem bildhübschen Anblick los. Nachdem er herausgefunden hatte, dass die böse Vorahnung ein Trugbild gewesen war – oder etwa nicht …? –, wollte er sich auf das eigentliche Problem konzentrieren, auf seinen leeren Magen.
    Bei Vollmond kommen die Elritze im Becken dicht an die Wasseroberfläche und man kann sie ganz einfach im Tiefflug herauspflücken. Und Elritze sind ein wunderbarer Mitternachtsimbiss. Schon bei dem Gedanken an diese Köstlichkeit plusterte sich Captain erneut zufrieden auf. Er hopste auf den Rand des Nestes. Wegen seines schwachen Flügels waren Starts und Landungen nicht gerade Captains Stärke. Um den Knick in seinem Flügel auszugleichen, musste er die Flugroute genau planen. Er hatte immer einen leichten Linksdrall, also flog er in weiten Halbkreisen. Er brauchte ein bisschen länger als andere Möwen, um sein Ziel zu erreichen, aber meistens schaffte er es doch … irgendwann.
    Captain ließ seinen Blick über das Becken schweifen. Mondlicht funkelte auf der Wasseroberfläche. Jawohl, er konnte die salzigen Elritze schon fast schmecken. Ein kleiner Ausflug, und dann würde er gewiss weiterschlafen können, bis es Frühstück gab. Mmh, Elritze! Genau das Richtige!
    Er holte tief Atem und stürzte sich – hops! – in den Nachthimmel. Er neigte sich ein Stück nach links und dann ein Stück nach rechts, bis er das Gleichgewicht gefunden hatte. Dann ging’s abwärts, immer nach unten, aufs Wasser zu. Aber mitten im letzten Halbkreis bremste er seinen Sturzflug abrupt. Da trieb etwas auf dem Becken dahin. Nein, jemand. Nein, zwei jemands! Zwei jemands trieben auf dem Becken.
    Er flog näher. Es war Mirja. Und BF ! Sie waren wach, genau wie er. Oh, was für eine wunderbare Nacht, hipp, hipp,

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