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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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stimmt’s?“ Ein zehnjähriges Mädchen hat viele Wünsche: Es wünscht sich etwas von den Sternschnuppen, von der Zahnfee oder von bestimmten Fischen. Und ein Glücksbringer muss doch wohl erst recht die Macht besitzen, Wünsche erfüllen zu können.
    Und so sprach Mirja einen großen Wunsch aus, einen richtig großen und richtig bedeutsamen Wunsch: „Bring alles in Ordnung!“, sagte sie. Und dann, damit sich Yemayá nicht übergangen fühlte, rief sie auch die Herrin über alle Meere an: „Hilf mir, meine Mutter zu finden!“
    Eine Bootsladung voller Wünsche.
    Um den Handel zu besiegeln, öffnete Mirja den Schuhkarton und holte eine weitere Figur heraus. Die Sirene. Sie erspürte es an den scharfen Schulterblättern. „Das ist alles, was von ihren Flügeln übrig geblieben ist“, hatte Mr Beauchamp ihr erklärt.
    Rasch, bevor sie ihre Meinung ändern konnte, legte Mirja die Sirene ins Wasser und wandte den Kopf ab. Sie wollte nicht hinschauen. Doch nach all dem Wünschen fühlte sie sich gut.
    „Wir schaffen das“, sagte sie zu BF und Captain. „Das wird ein Kinderspiel!“
    52 Es gibt viele Geschichten über Sirenen. Einige haben gespaltene Schwänze, wie die Sheila-na-gig aus Irland. Einige sehen aus wie Filmstars und haben überhaupt keinen Fischschwanz. Aber Mirjas Sirene stammte von einer älteren Art. Der Sage nach gab es eine verzauberte Insel irgendwo im griechischen Meer, wo die wunderschönen Kyrenen lebten. Es waren geflügelte Frauen, deren Gesang so lieblich war, dass die Seeleute ihnen nicht widerstehen konnten und ihre Schiffe auf die schroffen Felsen steuerten, die vor der Insel lagen. Es waren dieselben Wesen, denen Odysseus auf seiner langen Reise begegnete.
    Über die Jahrhunderte wurde ihr Name in „Sirenen“ geändert und ihre vogelähnlichen Körper bekamen Fischgestalt. Vielleicht war es auch eine Sirene und keine gewöhnliche, einheimische Meerjungfrau, die Cabeza de Vaca vor fünfhundert Jahren auf die Sandbank vor der Oyster Ridge Road gelockt hatte. Eine Sirene und ihr Lied.
    53 Apropos Lied: Eine Frage stellte Mirja vor ein Rätsel. Wie kam es, dass Dogie niemals stotterte, wenn er Ukulele spielte und dazu sang? Im Gegenteil: Seine Worte waren immer kristallklar.
    Es gibt so viele Fragen, die nur der Himmel beantworten kann.
    54 Signe, die tief und fest schlief und nicht ahnte, dass ihr Mädchen mit dem Flitzer aufs Meer hinaustrieb, hatte die Wahrheit gesagt: Sie hatte Meggie Marie geliebt. Wie eine Schwester geliebt.
    Auf dem Tischchen neben dem Sofa in dem kleinen Wohnzimmer des spukblauen Hauses stand ein gerahmtes Foto von Meggie Marie. Es war eine alte Schwarz-Weiß-Aufnahme, ein Zeitungsausschnitt aus der Galveston Daily News mit der Überschrift: Königin der Meere führt die Parade an . Das Foto war unscharf und das Papier vergilbt, aber es zeigte Meggie Marie auf einem Paradewagen, der einer riesigen Muschel nachempfunden war. Auf ihrem Kopf saß eine Krone und ihr Lächeln war so weit wie der Ozean selbst. Das Lächeln, das Mirja geerbt hatte.
    Ja. Signe hatte Meggie Marie geliebt. Aber sie vermisste sie nicht.
    55 Alle Meere der Welt sind miteinander verbunden. Über die Jahrhunderte haben sie andere Namen bekommen, aber das Wasser fließt dennoch unentwegt von einem Ozean in den anderen. Wenn etwa ein Delfin auf die Idee käme, dann könnte er von der texanischen Küste aus, südlich von Galveston und nördlich von Corpus Christi, die ostwärts fließende Strömung nehmen, um die Keys von Florida herum – wobei er aufpassen müsste, nicht gegen Kuba oder die Halbinsel von Yucatán zu stoßen. Dann könnte er nach Norden in den Atlantik schwimmen, die Jungferninseln und Bermuda links liegen lassen und brauchte nicht mehr anzuhalten, bis er das Mittelmeer erreicht, die Küste von Südfrankreich, die Riviera. Er könnte den ganzen Weg schwimmen, ohne dass ihn etwas aufhalten würde.
    Auf dem Luftweg, wie die Möwe fliegt, sind es ungefähr fünftausend Meilen. Der Wasserweg für den Delfin ist vermutlich etwas weiter.
    Am Ziel angekommen, würde dieser Delfin einem Schwimmer begegnen, der so alt ist, dass sogar seine Falten Falten bekommen haben. Unter dem hellen Licht des Mondes schösse der Delfin vorbei und das alte Herz des Schwimmers schlüge schneller.
    Hat er eben tatsächlich gefühlt, was er zu fühlen glaubt? Er hält inne und lässt sich im Wasser treiben. Ja, da ist es wieder! Ein Signal! Anfangs scheint es ihm hauchzart, kaum spürbar, aber als er den

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