Das Meer und das Maedchen
dessen Rücken er hockte, war Captain rundum glücklich. Das Meer war sein natürlicher Lebensraum und er freute sich, dass sein bester Freund BF zusammen mit ihm hier draußen auf den dunklen Wellen war.
Er hob den Kopf und wollte gerade ein herzhaftes Komm-her-komm-her! anstimmen, als ein Lichtschimmer seine Aufmerksamkeit erregte.
Da. Genau da. Auf Mirjas Schlüsselbein. Er hopste von BF herunter und auf das Dollbord des Flitzers , um besser sehen zu können. Wieder blitzte es auf.
Aber ja!
Er hatte diesen glänzenden Gegenstand schon einmal gesehen. Es war sein kleiner Stern, der vom Himmel gefallen war! Ganz bestimmt war es derselbe, den er vor so vielen Jahren entdeckt hatte. Sein kleiner Stern.
Er erinnerte sich noch genau an den Tag – oh, wie viele Tage war das her? Tausende? Es war lange vor dem Sturm und der Sache mit dem Küchenfenster gewesen. Lange bevor er sich den Flügel gebrochen hatte. Damals hatte er in der Blüte seiner Jahre gestanden!
Er war über dem Wasser gesegelt, dort wo es flach war, und hatte nach einem leckeren Happen Ausschau gehalten – einer Muschel, einer kleinen Krabbe oder einer klitzekleinen Meeresschildkröte – und da war es: Etwas glitzerte direkt unter der Wasseroberfläche.
Es funkelte ihn an, lächelte zu ihm empor. Es war wunderschön, ganz rund, ein herrlicher, vollkommener kleiner Stern. Das musste es sein! Er hatte doch schon oft gesehen, wie Sterne in den Ozean fielen. Und er hatte sich schon immer einen solchen Stern gewünscht! Aber sie waren zu schnell und zu weit weg, als dass er sie hätte fangen können.
Ganz plötzlich wollte er dieses Ding, wollte es mit jeder Feder seines Körpers, mit jedem Knochen, jedem Muskel, mit jedem zitternden Nerv. Möwen lieben glänzende Gegenstände und Captain war keine Ausnahme. Im Gegenteil: Er war durch und durch eine typische Seemöwe.
Er flog über den Stern hinweg, hin und her, hin und her, und bewunderte ihn. Dann stürzte er sich schließlich nach unten und hob ihn mit dem Schnabel auf. Er war schwer, aber das spielte keine Rolle. Als er den Stern zu fassen bekam, fuhr eine Eiseskälte durch seine Glieder. Aber er ließ nicht los.
Mit dem gefallenen Stern würde sich seine Stellung in der Möwenkolonie erheblich verbessern. Soweit er wusste, besaß keine andere Möwe an diesem Strandabschnitt einen ähnlich herrlichen Gegenstand. Während er sich in den Himmel hinaufschraubte, den glänzenden Stern im Schnabel und Fantasien von Ruhm und Ehre im Kopf, wurde er vor Begeisterung immer euphorischer.
Und dann machte ihm eine einzige Scheibe Wassermelone einen Strich durch die Rechnung. Jawohl. Die Wassermelone war sein Verderben.
Als er über den Strand hinwegflog, bemerkte er eine Frau, die sich auf einem Badetuch ausgestreckt hatte und ein Sonnenbad nahm. Neben ihr stand eine Schale mit etwas Saftigem, Rotem. Etwas Fruchtigem. Es roch köstlich. Halleluja, ihr Brüder und Schwestern! Wassermelone! Seine Leibspeise! Und die große Schale war randvoll. Oh herrlicher Tag, oh Jubeltag!
Zwei Glückstreffer an einem einzigen kurzen Nachmittag. Und während er vorbeiflog, streckte die Frau auf dem Badetuch die Hand aus, griff in die Schüssel und warf ein riesiges, saftiges, reifes, rotes, köstliches, leckeres Stück Wassermelone in den Himmel, direkt vor seinen Schnabel.
Eines sollte man über Möwen wissen: Sie können sich nicht besonders lang konzentrieren. Sobald dieses Stück Wassermelone vor ihm in der Luft auftauchte, vergaß Captain den Stern in seinem Schnabel. Er vergaß alles, dachte an nichts mehr, außer an – Wassermelone!
Ohne nachzudenken, öffnete er den Schnabel, um den leckeren Happen aufzufangen, und während er sich die saftige Melone schnappte, fiel der herrliche kleine Stern, glänzend und rund, aus seinem Schnabel, geradewegs in die Hand der großen Frau.
Captain verschlang die Wassermelone und drehte sofort um. Aber es war zu spät. Er sah den überraschten Ausdruck auf ihrem Gesicht, sah ihr Lächeln, und dann sah er, wie die Frau den Stern in ihre Strandtasche steckte. Nirgends war auch nur das kleinste Funkeln zu entdecken.
Aber zu Captains Entzücken rief die Frau: „Danke schön!“, und warf ihm ein zweites Stück Wassermelone zu, das auf direktem Weg in seinem Schnabel landete. Er schluckte und beschrieb einen großen Kreis in der Luft über der Frau. Und während er das tat, reihte sie ein Dutzend Wassermelonenstücke am Fuß ihres Badetuchs auf. Ein Festmahl!
„Komm her,
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