Das Meer wird dein Leichentuch
einige Dinge doch ganz genau wissen.
Damian de Armand schien zu den geheimnisvollen Adepten zu gehören, die unter strengster Geheimhaltung das Wissen über die verborgenen Dinge studieren. War er vielleicht der Hochmeister einer Loge, zu denen nur ein Eingeweihter Zutritt hat, der die geheimen Zeichen kennt? Oder war er gar ein Magier? Ein Okkultist? Einer der Verwegenen, die es wagen, eine Brücke zwischen der Welt der Menschen und dem Reich der Seelen und Geister zu bauen?
Er nutzte die Kabine der Vanderbilts. Und die Vanderbilts waren durch das Ergebnis einer Séance davon abgehalten worden, mit der Titanic zu fahren. Ich hatte in den Zeitungen schon einiges über eine Séance gelesen. In der ganzen Welt versuchte man derzeit, mit der Geisterwelt in Kontakt zu treten. Und oftmals stellte sich die Angelegenheit als reiner Humbug heraus und die ‘Meister der Séance’ wurden als Betrüger entlarvt.
Ich fragte Damian direkt nach der Séance der Vanderbilts.
„Ich war es selbst, der die Séance abgehielt und die Vanderbilts warnte.“ sagte Damian mit entwaffnender Offenheit. „Und wenn Ihr starrköpfiger Dienstherr mir nicht glaubt und sich vom Blauen Diamanten trennt, dann werden sie in einigen Tagen aus der Zeitung erfahren, dass ihnen der Glaube an meine Worte das Leben gerettet hat.“
„Sie deuteten schon einige Male an, dass die Titanic sinken wird“, sagte ich. „Ist das so sicher?“
„So sicher wie der Fluch des blauen Schicksalssteins!“
„Woher wissen Sie das?“
„Ich weiß es! Das muss Ihnen genügen, Danielle!“
„Sind Sie denn ein Hellseher, Damian?“, fragte ich verwundert.
Eine Séance hat mit Hellseherei nichts zu tun, Danielle.“ entgegnete er. „Es ist eine Befragung der Geister, die uns unsichtbar umschweben. Wenn die Seele den Körper verlässt, ist sie dennoch nicht tot. Wer die inneren Fähigkeiten dazu besitzt, kann mit ihnen Kontakt aufnehmen.
Das Unsterbliche der Verstorbenen ist stets um uns, ohne dass wir es wahrnehmen. Sie langweilen sich in ihrer Welt und versuchen, etwas zu tun, damit wir sie beachten. Manche von ihnen schaffen es, ihren früheren Körper als leuchtende Erscheinung sehen zu lassen. Einige von ihnen sind sogar so stark, dass sie Gegenstände bewegen können.“
„Ich habe von Polter-Geistern gehört, die Bilder von den Wänden fallen lassen oder Gegenstände umher werfen“, sagte ich. „Ja, gibt es das denn wirklich?“, fragte ich nach einer Weile zaghaft als Damian mir nicht sofort eine Antwort gab.
„Wenn sie starke Emotionen und Gefühle entwickeln, vermögen die gestaltlosen Geister sehr viel!“ nickte Damian. „Einige von ihnen begleiten bestimmte Personen, die sie während ihres Lebens geliebt haben, und beschützen sie, so gut sie können.“
„Die Schutzengel!“, hauchte ich.
„Ja, so nennt man sie.“ nickte Damian. „Sie besitzen Kräfte, die der menschliche Verstand nicht einmal erahnen kann. Und sie wissen Dinge aus der Vergangenheit und der Zukunft, die den Sterblichen erst offenbar werden, wenn die selbst durch das dunkle Tor des Todes geschritten sind. Wem es gelingt, durch eine Séance eine Brücke zur Geisterwelt aufzubauen, dem stehen die Geister im Allgemeinen Rede und Antwort.“
„Dann sind Sie ein Totenbeschwörer?“, fragte ich entsetzt.
„Vielleicht mehr als ein Nekromant“, flüsterte Damian geheimnisvoll. „Aber es ist besser, wenn Sie niemals die Wahrheit erfahren, wer ich wirklich bin.“
„Ich denke, Sie gehören zu den Leuten, die mit ein wenig Hokus-Pokus den Reichen das Geld aus der Tasche ziehen. Und den Vanderbilts haben Sie den Untergang der Titanic vorausgesagt, weil sie sonst nicht zu einer standesgemäßen Luxuskabine gekommen wären.“ Ich wusste, dass ich das nur sagte, um mir Mut zu machen. Denn ich ahnte schon bei diesem Gespräch, dass Damian de Armand keiner jener Scharlatane war, die durch geschickte Tricks Geistererscheinungen in Szene setzten.
„Denken Sie von mir, was Sie wollen, Danielle.“ Damians Stimme klang jetzt reserviert. „Es ist vielleicht besser, wenn Sie nicht weiter in mich dringen. Ich bitte Sie. Sehen Sie die Gestalt des Marquis de Armand also nur so, wie es ihnen ihre Augen gestatten. Vermeiden Sie es, nach der echten Wahrheit zu forschen!“
„Was sollen diese Ausflüchte, Damian? Warum weben Sie diesen Schleier des
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