Das Meer wird dein Leichentuch
Geheimnisses um ihre Person? Warum sagen Sie nicht einfach, dass Sie ein normaler Mensch sind, der sein Geld mit Wahrsagerei verdient. Da ist doch nichts Schlimmes dabei.“
„Gern würde ich dir den Gefallen tun, Danielle.“ In Damians melancholischen Augen lag plötzlich ein zärtlicher Schimmer, während er ohne mich zu fragen in die vertrauteste Form der Anrede überwechselte. „Aber ich darf von mir nicht sagen, dass ich ein Mensch bin wie du und all die anderen Leute hier an Bord. Bitte mich nicht, dir mein Geheimnis zu enthüllen, Danielle Bidois. Denn vielleicht wäre dann dieser Tag der letzte Glückliche in deinem Leben.“
„Bis jetzt weißt ich von dir nur den Namen, Damian“, sagte ich und ging auf seine vertraute Anrede ein. „Sicher stelle ich mir vor, dass du Reichtum und Grundbesitz und vielleicht ein Château an der Loire hast. Aber deine sonderbaren Andeutungen und Geheimnisse in allen Gesprächen bringen mich völlig durcheinander.“
„Irgendwann wirst du es verstehen, Danielle!“ gab der Marquis zurück. „Aber jetzt ist es besser, wenn du keine weiteren Fragen mehr stellst.
Ein ewiges, göttliches Gesetz zwingt mich dazu, niemals zu lügen. Ich vermag nur, die Wahrheit zu verschleiern. So wie der Henker auf dem Schafott das Richtbeil vor den Augen des Delinquenten mit einem Tuch bedeckt, um ihm einen Teil seiner Angst zu nehmen. Ich kann dir nur sagen, dass mir weder die Lebendigen noch die Toten fremd sind.“
„Ach ja, die Séance.“ fiel es mir wieder ein. „Ich habe viel in den Zeitungen darüber gelesen. Und es hat mich ordentlich dabei gegruselt. Werden da wirklich die Geister der Toten beschworen?“
"Nein, bei einer Séance werden die Geister gebeten, mit den Sterblichen Kontakt aufzunehmen und ihnen ihre Fragen zu beantworten. Die den Menschen überall unsichtbar umgebenden Geisterwesen sind jedoch frei zu entscheiden, ob sie Antworten geben wollen oder nicht.“ Die Spannung wich langsam aus Damians Rede. Er schien froh darüber zu sein, dass ich ihn nicht weiter gedrängt hatte, sein Geheimnis preiszugeben.
„Und was ist mit der Nekromantie - der Totenbeschwörung?“, wollte ich wissen.
„Das ist ein Zwang gegenüber den Geistern, dem Nekromanten zu antworten.“ gab Damian zurück. „Es setzt ein sehr kompliziertes Ritual voraus. Eine Totenbeschwörung ist sehr, sehr gefährlich. Wer nicht das richtige Ritual durchführt, den schützenden Bannkreis nachlässig zieht oder die notwendigen Sprüche und Gebete nicht perfekt beherrscht, der ist verloren. Denn dann bekommen die Geister Macht über seine Seele. Und so gern die Toten aus der Jenseits-Welt heraus antworten, wenn man sie darum bittet - so zornig werden sie, wenn man ihnen einen Zwang auferlegt.
Ein Nekromant gleicht einem Dompteur, der im Käfig zwischen Tigern und Löwen steht. Eine kleine Unaufmerksamkeit, ein geringer Hauch der Schwäche und er ist verloren. Wie die Raubkatzen einen ungeschickten Bändiger zerreißen, so spielen die Geister der Toten mit der Seele eines Frevlers, der versucht hat, sie seinem Willen zu unterwerfen. Nach den ewigen Gesetzen dürfen sie in seinem Inneren hausen bis zu dem Tag, an dem ihn der gnädige Tod erlöst. Die Geister, die man ruft, wird man nur schwer wieder los“
„Brrr. Schon der Gedanke daran schüttelt einen richtig durch.“ gestand ich. „Wenn das so ist, wird doch niemand so verrückt sein, mit den Geistern in Kontakt treten zu wollen.“
„Im Gegenteil.“ Damian lachte bitter. „Die Irrenhäuser der Welt sind voll mit armen Narren, die versuchten, die Geister zu ihren Sklaven zu machen. Jetzt büßen sie ihre Gier nach Reichtum und Macht, indem sie von den unheimlichen Mächten bis ans Ende ihrer Tage besessen sind.“
Ich fröstelte nicht nur wegen der Kälte und zog den Mantel, den ich diesmal trug, fester um mich.
"Du hast Angst, Danielle“, stellte Damian fest. „Vielleicht sollten wir das Thema wechseln. Es gibt so viele schöne Dinge, über die wir plaudern können.“
„Nein, die Sache mit der Séance interessiert mich.“ gestand ich, obwohl Damian meine Furcht sehr genau erkannt hatte. Es war wie früher, wenn mir die Großmutter als kleines Mädchen gruselige Gespenstergeschichten erzählte. Ich konnte einfach nicht genug davon bekommen und wusste doch genau, dass ich mich nachher alleine in meiner Kammer vor den unheimlichen Dingen zu Tode ängstigen würde.
„Du
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