Das Meer wird dein Leichentuch
er verlieren muss.“ nickte Damian.
„Aber wir haben doch Rettungsboote.“ warf ich ein.
„Hast du sie gezählt und mit der Zahl der Menschen verglichen, die hier an Bord sind?“, fragte Damian. „Die Rettungsboote wurden nach der Größe des Schiffes bemessen und nicht nach der Anzahl der Passagiere und der Mannschaft. Für über tausend Menschen gibt es keine Rettung, wenn das Schiff untergeht.“
„Die Schwimmwesten ...“
„... sind nutzlos im eisigen Wasser. Wer sich schwimmend rettet, der stirbt den langen Kältetod.“
„Wir haben hier die neuartige Funkeinrichtung an Bord. Andre Schiffe werden uns zu Hilfe kommen!“
„Sie kommen zu spät!“ Damians Worte klangen wie der Hammerschlag des Schicksals. „Und das alles nur, weil dieser reiche Narr so starrköpfig ist und meinen Worten nicht glaubt.“
„John Jacob Astor ist ein moderner Mensch. Er glaubt nur, was er mit seinem logischen Verstand berechnen und mit Dollars bezahlen kann.“ sagte ich. „Und wenn ihm Gott selbst erschiene, wie einst Moses im brennenden Dornbusch - er würde seinen Worten keinen Glauben schenken.“
„Und so bleibt mir nur mein trauriges Amt, die dem Untergang Geweihten gnädig von ihren Qualen und ihrer Furcht zu erlösen!“ Ich spürte, wie Damian zu zittern begann. Die menschliche Gestalt, die der gnadenlose Schnitter angenommen hatte, ließ Gefühle des Mitleids in ihm aufkommen, die dem Nehmer des Lebens sonst fremd sind. Aus seiner Brust war ein tiefes Schluchzen zu vernehmen.
Der Tod weinte.
Er weinte über die Menschen der Titanic, die er bald umarmen würde. Die in Gängen und Kabinen vom eindringenden Wasser umschlossen ihre letzten Gebete schrien oder die hilflos in den eisigen Fluten trieben und langsam erfroren, während ihnen die Schwimmwesten das rasche Ende des Ertrinkens verwehrten.
„Küss mich, Damian“, flüsterte ich. „Ich will dir gehören. Nur dir, mein Geliebter.“
„Weißt du, was du damit sagst, Danielle?“, flüsterte der Tod.
„Ich will dein sein für immer und ewig.“ stieß ich leidenschaftlich hervor. „Nichts wird uns trennen. Die Liebe ist die Ewigkeit. Und die Ewigkeit wird uns verbinden.“
„Du willst meine Braut werden? Die Braut des Todes?“ fragte Damian eindringlich.
„Die Braut des Todes!“, hörte ich mich selbst flüstern. „Ja, das will ich! Küss mich, Damian. Küss mich jetzt, solange wir beide auf dieser Welt leben. Und küss mich, wenn wir in deiner Welt vereint sind. Denn unsere Liebe werden wir mit hinübernehmen.
Eine Liebe - die auch den Tod besiegt ...!“
***
Sonntag, der 14. April 1912.
Ein Tag, den ich niemals in meinem Leben vergessen werde.
Diesen Tag nicht - und nicht die Nacht, in der sich das Verhängnis erfüllte ...
Am Morgen wurde von Kapitän Smith im Speisesaal der Ersten Klasse ein protestantischer Gottesdienst abgehalten. In anderen Räumen beteten Menschen anderer Glaubensrichtungen zu dem gleichen Gott.
Ich durfte mich Astor und Madeleine anschließen. Niemand außer mir ahnte, dass uns Kapitän Smith am Schluss des Gottesdienstes nach dem letzten Choral für den Tod und die Ewigkeit den Segen sprach.
Anschließend machte ich mit Madeleine einen Spaziergang auf dem oberen Bootsdeck, während sich ihr Ehemann mit Andrew Hopkins und einigen Geschäftsleuten in den Rauchsalon zurück zog. Morgen Nachmittag sollte unsere Ankunft in New York sein und die Depeschen, die Astor über Funk erhalten hatte, zeigten für ihn positive Entwicklungen an der Börse an. „Johnny“ war nun wieder ganz der Spekulant und Geschäftsmann, als den ihn die Welt kannte.
„Ich bin nicht glücklich über die Dinge, die John mit seinem Geld anrichtet.“ gestand Madeleine. „Ich bin sicher, er zieht Profite aus den Niederlagen seiner Gegner. Er ruiniert sie mit der Macht seiner Millionen und mehrt durch ihren Untergang seinen Reichtum. John hat schon von seinem Vater mehr geerbt, als er jemals ausgeben kann. Und dennoch will er immer reicher werden.“
„Aber er tut es doch nicht nur für sich, sondern auch für das Kind, das Sie unter dem Herzen tragen, Madeleine! “, sagte ich begütigend. „Sein Sohn aus erster Ehe wird
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