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Das Meer wird dein Leichentuch

Das Meer wird dein Leichentuch

Titel: Das Meer wird dein Leichentuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Maine
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an Land zurückzog. In seinem kantigen Gesicht war Ehrlichkeit zu erkennen.
     
    „... und deshalb scheint mir der Tresor kein sicherer Platz mehr für den kostbaren Diamanten zu sein, Mister Murdoch“, sagte Astor mit leiser Stimme, sodass es der Rudergänger nicht hören konnte. „Aber bei Ihnen wird niemand den Stein vermuten. Wollen Sie so freundlich sein, den Blauen Diamanten für mich in Verwahrung zu nehmen?“
     
    „Sie haben viel Vertrauen zu mir, Mister Astor!“, sagte Murdoch in seiner geraden Art., „Was wäre, wenn ich ...“
     
    „Sie sind Seemann und wissen genau, dass dieses Schiff sicher ist. Ihnen können doch die Hirngespinste eines überdrehten Franzosen keine Angst einjagen, oder?“ sagte Astor lachend und fügte dann gefährlich leise hinzu: „Wenn Sie in New York versuchen sollten, mit dem Stein zu verschwinden, werde ich sie jagen lassen. Und dann gibt es auf der ganzen Welt keinen Platz mehr, wo Sie sicher sind.“
     
    „Sie können mir vertrauen, Mister Astor!“ William Murdoch erhob die Hand wie zu einem Schwur. „Der Diamant ist bei mir sicher.“
     
    „Sie werden den Stein in New York bei mir gegen einen Scheck von tausend Dollar eintauschen“, versprach der Milliardär. Er zog den in weißes Seidenpapier gewickelten Diamanten hervor und drückte ihn in Murdochs offene Hand.
     
    Es war genau 23,39 Uhr.
     
    In genau vierundzwanzig Stunden würde sich der Fluch des Steines erfüllen.
     
    Denn zu diesem Zeitpunkt hatte William Murdoch wieder das Kommando auf der Brücke der Titanic.
     
                                                                                                      ***
     
    „Welcher Mensch fürchtet den Tod nicht?“ beantwortete ich Damians Frage, nachdem wir schweigend hinauf zum Promenaden-Deck gegangen waren. Ich trug eins der dünnen Abendkleider aus Madeleines Schrank. Damian hatte mir wieder seinen Mantel gegen den Nachtfrost umgehängt.
     
    „Aber du bist anders als die meisten Menschen, Danielle“, sagte Damian leise. „Zwar erschrickst du, wenn du an mein wahres Gesicht denkst, aber ich spüre kein Todesgrauen in deinem Herzen. Du fürchtest dich vor dem Unbekannten - aber du hast keine Angst vor mir.“
     
    „Ich liebe dich, Damian. Auch, wenn du der Tod bist! Denn der Tod ist sicher nur ein Traum.“ gab ich zurück.
    „Ein Traum. Ja, liebe Danielle. Für dich bin ich ein Traum.“ sagte Damian unglaublich zärtlich.
     
    „Doch ein Albtraum bin ich für andere Menschen!“ setzte er hinzu und seine Stimme bekam einen furchterregenden Klang. „Denn sie fürchten zu Recht das ewige Gericht, das auf sie wartet. Und sie fürchten ... den Neubeginn ...“
     
    „Den Neubeginn?“, fragte ich zweifelnd.
     
    „Nichts, was ein Mensch in dieser Welt besitzt, kann er mit hinübernehmen als die Erinnerungen und die Gebete, die für ihn gesprochen werden“, sagte Damian geheimnisvoll. „Das neue, das ewige Leben, das bedeutet für die Menschen ein Leben ohne die Reichtümer, die sie hier zusammengerafft haben. Denn dort im Jenseits gibt es weder Arm noch Reich. Alle sind gleich vor der ewigen Allmacht.“
     
    „Ich werde meine Liebe mit hinübernehmen, Damian“, sagte ich mit fester Stimme. „Meine Liebe zu dir!“
     
    „So sehr liebst du mich? So groß ist deine Liebe, dass du mich, den Tod, nicht fürchtest?“ flüsterte Damian. Ich bemerkte eine Träne, die aus seinem rechten Auge sickerte.
     
    „Ja, ich liebe dich. Ich kann nichts dafür, Damian.“ sagte ich ergriffen. „Und irgendwie freue ich mich, dass wir bald auf ewig vereint sind. Du wirst mir nicht wehtun, sondern deinen Mantel um mich schlagen und mich mit dir nehmen.“
     
    „Du findest schöne Worte, um mir das Grauenvolle, zu dem mich mein Amt zwingt, leicht zu machen, liebe Danielle!“, sagte Damian mit zärtlicher Stimme. „Ach, niemand fragt den Tod danach, ob er nicht selbst um die vom Schicksal gezeichneten trauert, die er hinweg nehmen muss. Ich sehe all diese Menschen hier auf dem Schiff und spüre den Widerwillen, das zu tun, was getan werden muss. Das sprühende, blühende Leben hier an Bord - ich ertrage es kaum, dass viele der Menschen in wenigen Stunden nicht mehr lachen werden.“
     
    „Also wird das Schiff wirklich sinken?“, fragte ich noch einmal.
     
    „Astors Herz ist verhärtet. Er will den Kampf gegen das Schicksal aufnehmen. Einen Kampf, den

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