Das Meer wird dein Leichentuch
Neugierig sah ich hinein - und stieß einen Schrei aus.
Das Kästchen war leer.
Der Unglücks-Diamant war verschwunden.
Und niemand von uns wusste, dass er sich genau dort befand, wo sich sein Fluch in einem verhängnisvollen Befehl an Steuermann und Maschinenraum auswirken würde.
Denn William Murdoch hatte die Kostbarkeit in der Innentasche seiner Uniform-Jacke.
Genau über seinem Herzen ...
***
„Wir müssen es John sagen, dass jemand den Diamanten gestohlen hat.“ stieß Madeleine entsetzt hervor. „Er muss den Kapitän verständigen und ...“
„Nicht nötig. Ich selbst habe den Stein aus dem Safe genommen.“ knarrte eine Stimme von der Tür. Astor hatte sie ganz leise geöffnet. Ich erschrak, dass mir das Blut zu Kopf stieg. Aber ich konnte jetzt nicht an mich denken. Denn durch den Schreck hatte Madeleine einen Schwächeanfall. Ich konnte sie gerade noch auffangen und stützen.
„Sie haben meine Frau mit diesem sonderbaren Märchen erschreckt, Miss Bidois“, stellte der Dollargewaltige fest, ohne mich zu Wort kommen zu lassen. Ich hatte jetzt auch genug zu tun, Madeleine vorsichtig zu ihrem Bett zu führen.
„Nein, John. Es war Ben Guggenheim, der ...!“Sagte Madeleine mit leiser Stimme. Doch Astor hörte nicht zu - oder er wollte nicht hören.
„Sie haben dafür gesorgt, dass meine Frau in ihrem Zustand solche Angst bekommt, dass sie sogar ihren Ehemann bestehlen will.“ Astors Worte klangen wie die eines gnadenlosen Richters, der sein Urteil bereits gefällt hat, noch ehe er die Anklageschrift gelesen hat. „Sie und dieser impertinente Marquis mit seiner verrückten Story vom Fluch des Blauen Diamanten.“
„Aber wenn die Sache mit dem Fluch wahr ist ...“ versuchte Madeleine einzuwerfen.
„Liebe Madeleine. Du glaubst gar nicht, mit was für Tricks kriminelle Ganoven versuchen, uns Reiche zu begaunern. Wetten, dass unsere hübsche Danielle und dieser sonderbare Franzose ein international gesuchtes Gauner-Pärchen sind. Sie haben diesen Fluch sicher nur erfunden, um mir mit einem Trick den Diamanten abzunehmen?“ Astor lachte.
„Das ist nicht wahr!“ stieß ich hervor. „Ich bin eine anständige Frau und der Marquis de Armand ist ein Ehrenmann. Ich schwöre Ihnen, Mr. Astor ...!“
„Bemühen Sie den Allmächtigen nicht unnötig, Miss Bidois!“, unterbrach mich der Milliardär. „Ich werde Ihnen genau sagen, was für einen Plan sie hatten. Ob sie Damian de Armand erst hier auf dem Schiff kennengelernt haben oder ob sie ihren Plan schon lange ausgeheckt haben, ist unerheblich. Sie, Miss Bidois, brachten mich jedenfalls mit diesem seltsamen Herrn zusammen, der mir seine Story geschickt auftischte. Ich sollte auf den Humbug mit dem Fluch hereinfallen und dem Marquis den Diamanten geben, damit er ihn ins Meer wirft. Aber Leute Ihresgleichen sind ja geschickte Taschenspieler. Es wäre ein Leichtes, anstelle des Diamanten ein Stück wertloses, blaues Glas in den Atlantik fallen zu lassen. In New York gibt es genügend Leute, die ein Vermögen für den Stein bezahlen. Der Plan war wirklich gut ausgedacht. Aber so einfach legt man einen John Jacob Astor nicht herein.“
„Das ist so ungeheuerlich ...“ stieß ich hervor. „So ungeheuerlich, dass es wahr sein könnte. Aber ich schwöre Ihnen ...“
„Das heben Sie sich für die Gerichtsverhandlung in New York auf, Miss Bidois.“ schnitt mir Astor das Wort ab. „Hopkins!“
„Sir?“ Wie ein Schatten war der treue Sekretär seinem Herrn gefolgt.
„Verständigen Sie den Kapitän. Er soll Miss Bidois in Arrest nehmen, bis wir New York erreicht haben. Und er soll auch diesen seltsamen Marquis de Armand festsetzen lassen. Ich verantworte es.“
„Ich eile, Mr. Astor!“ In Andrew Hopkins Gesicht zeigte sich keine Regung, als er sich umwandte.
„Ach, noch etwas Hopkins!“
„Ja, Sir?“
„Die Schiffsleitung soll eine der Stewardessen für die persönliche Betreuung meiner Frau abkommandieren. Den Ball, Miss Bidois, der heute Abend stattfindet, werden Sie leider nicht erleben. Schade. Sie wären sicher eine ausgezeichnete Tänzerin gewesen.“
„Johnny, bitte ...!“Flüsterte Madeleine.
„Du hast dich von einer Gaunerin blenden
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