Das Meeresfeuer
in der Welt geschieht. Wahnsinn. Und
ein Verbrechen. « Plötzlich veränderte sich etwas in seiner
Stimme. Sie wurde nicht lauter, aber viel eindringlicher, und es
war etwas darin, was Mike schaudern ließ. »Was dort draußen
vorgeht, ist ein Verbrechen. Dort draußen sterben Menschen,
jeden Tag, jede Stunde. Und sie sterben vollkommen sinnlos –
nur weil einige Politiker glauben, ihre Ziele um jeden Preis
durchsetzen zu müssen. Sie werfen mir vor, daß ich getötet habe? Das ist richtig. Aber Sie selbst tun nichts anderes! Der
Krieg wütet seit anderthalb Jahren, und die Zahl der Opfer geht
bereits in die Hunderttausende. Und Millionen werden
vermutlich sterben, bis die eine oder andere Seite aufgibt oder
besiegt ist. « »Und das gibt Ihnen das Recht, Ihren eigenen
Krieg vom Zaun zu brechen?« fragte Trautman. Es waren die
ersten Worte, die er sprach, seit sie hereingekommen waren,
und sie hörten sich eigentlich gar nicht wie ein Vorwurf an,
sondern eher nachdenklich. »Mein eigener Krieg?« Winterfeld
lachte leise. »Eine interessante Formulierung
– aber ja,
vielleicht haben Sie damit sogar recht. Aber wenn, dann führe
ich ihn nicht gegen eine Nation. « »Sondern gegen alle?« fragte
Stanley. »Nein«, antwortete Winterfeld ernst. »Gegen den
Krieg. Und ich möchte Sie bitten, mich dabei zu unterstützen. «
»Wie bitte?« Stanley riß ungläubig die Augen auf. »Sie haben
mich richtig verstanden«, sagte Winterfeld. »Sie sind meine
Gefangenen, aber ein Wort von Ihnen genügt, und Sie sind frei.
Unter der Bedingung, daß Sie mir helfen. «
»Helfen?« fragte Stanley, nunmehr total verwirrt. »Wobei?«
Winterfeld antwortete nicht gleich, sondern sah sie alle vier
der Reihe nach und sehr ernst an, ehe er sagte: »Den Krieg zu
beenden. «
Ein paar Sekunden lang herrschte absolute Stille. Man hätte
die berühmte Stecknadel fallen hören können. Stanley,
Brockmann und auch Mike starrten Winterfeld an, und Stanley
auf eine Art, als zweifelte er ernsthaft an Winterfelds Verstand
– was er wahrscheinlich in diesem Moment auch tat. Nur
Trautman wirkte viel mehr erschrocken als überrascht. Und sehr
nachdenklich. Sein Blick glitt über die überall aufgehängten
Karten und Tabellen, und Mike konnte regelrecht sehen, wie es
hinter seiner Stirn zu arbeiten begann. Auch Mike war im ersten
Augenblick perplex. Was Winterfeld sagte, hörte sich
tatsächlich schlichtweg verrückt an, und in gewissem Sinne war
er es sicherlich auch – aber auf der anderen Seite kannte Mike
Winterfeld auch zu gut, um wirklich zu glauben, daß der Mann
einfach den Verstand verloren hatte. Er konnte sich nicht im
Ernst einbilden, nur mit diesem Schiff allein den Krieg beenden
zu können. Die LEOPOLD war eine gewaltige
Vernichtungsmaschine, und was er tat, bedeutete für die
unmittelbar Betroffenen sicherlich das Ende – aber für die am
Krieg beteiligten Nationen war es nicht mehr als ein Ärgernis.
Genau das sprach Stanley dann schließlich auch aus: »Sie
müssen übergeschnappt sein«, sagte er. »Was haben Sie vor?
Solange abwechselnd deutsche und britische Schiffe zu
versenken, bis beide Nationen vor Ihnen kapitulieren?«
»Nein«, antwortete Winterfeld ruhig. »Ich bin kein Narr,
Kapitän Stanley, auch wenn Sie mich dafür zu halten scheinen.
Mir ist klar, daß ich früher oder später gestellt und besiegt
werden würde, würde ich so weitermachen wie bisher. Das habe
ich nicht vor. Tatsächlich war der Angriff auf Ihre beiden
Schiffe der letzte kriegerische Akt, zu dem ich gezwungen war.
Wenn Sie so wollen, dann war Ihre Mission erfolgreich: Ab
dem heutigen Tage wird es keine Überfälle mehr geben. Ich
habe, was ich wollte. «
»Die NAUTILUS«, vermutete Trautman. Winterfeld nickte.
»Unter anderem – ja. Mein Angebot gilt selbstverständlich auch
für Sie und Ihre Begleiter, Herr Trautman: Sagen Sie mir Ihre
Unterstützung zu und geben Sie mir Ihr Ehrenwort, und Sie sind
frei. « »Unterstützung wobei?« wollte Stanley wissen.
Winterfeld lächelte. »Sie enttäuschen mich erneut, Mister
Stanley«, sagte er. »Sie erwarten nicht im Ernst, daß ich Ihnen
meine Pläne offenbare, bevor ich weiß, wo Sie stehen?«
»Nein«, antwortete Stanley. »Ebensowenig wie Sie mein
Ehrenwort als Offizier erwarten, bevor ich weiß, was Sie
vorhaben. «
Diesmal lachte Winterfeld laut. »Ich sehe ein, die Situation ist
verzwickt«, sagte er. »Ein klassisches Patt, sozusagen. Aber ich
erwarte Ihre Entscheidung auch nicht sofort.
Weitere Kostenlose Bücher