Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
»Mind Enhancing« – all das soll uns in Zukunft zu geistigen Turbowesen machen. Wer das menschliche Hirn verstanden hat, weiß, dass solche Prognosen Unsinn sind. Die Funktionsweisen unseres Hirns, entstanden in Millionen Jahren der Evolution, sind auf eine Weise ausbalanciert, die durch Substanzen oder andere Stimulationen eher verschlechtert als verbessert wird. So wie das »Hirntraining« per Computer keinen größeren Effekt hat, sind auch die Einwirkungen von chemischen Substanzen auf das Hirn immer entweder marginal oder katastrophal. Das Hirn ist eine Komplexitätsmaschine, die den Körper als Korrektur und Basis braucht. Jede chemische Substanz, die auf diesen Prozess einwirkt – von Cannabis über die psychotropen Drogen bis zu den LSD-Derivaten –, führt immer nur zur Verwirrung, zu Halluzinationen oder Wahrnehmungsverzerrungen. Als Mittel, um seinem Gehirn leistungsmäßig ein wenig auf die Sprünge zu helfen, wird auch in Zukunft wohl am besten das altbewährte Koffein dienen (das eher auf den Körper wirkt, aber das Hirn dabei ein bisschen »mitnimmt«). Die Steigerung der Hirnpotenziale kann jedoch am Ende nur über Organisationsweisen funktionieren – über neue Verknüpfungen von Arbeit, Bildung und Lernen. Wir denken nur so gut, wie wir uns sozial organisieren.
In den letzten Jahren ist die Selbstständigenquote in den westlichen Ländern wieder gestiegen, während sie in den boomenden Schwellenländern rapide fällt. Zwischen 15 und 25 Prozent der Erwerbstätigen haben heute einen Entrepreneur-Lebensentwurf. Sie sehen sich als »Selbstunternehmer« und Talentisten, nicht als Lohnempfänger, selbst wenn sie in einem Angestelltenverhältnis sind. Wenn die 1-Prozent-Regel hält, müsste dieser Anteil bis zum Jahr 2045 auf mindestens 40 Prozent angestiegen sein – ein typischer Tipping-Point für eine neue Arbeits- und Tätigkeitskultur. Damit wird das »eherne Gehäuse« endgültig brüchig.
Doch Ökonomie hat immer mit der Messung klarer Kenngrößen zu tun. Wenn die Humanressourcen, sprich das Wissen in den Köpfen der Arbeitskräfte, und die Fähigkeit von Menschen, kreativ zu kooperieren, die große Produktivitätsreserve der Zukunft darstellen – wie können wir diese Faktoren messen, skalieren und wirkungsvoll einsetzen?
Das Problem beginnt schon bei einer Kategorie wie »Talent«. Wie sollen wir die »innere werdende Gestalt« eines Mitarbeiters beurteilen, wenn sich das Instrument von Zeugnissen und Leistungsnachweisen dafür als völlig unzureichend herausstellt? Die Antwort ist gar nicht so schwer. Komplex denkende und fühlende Menschen konnten immer schon spüren, was in einem anderen Menschen steckt. Das Rekrutieren von Arbeitskräften in Unternehmen wird sich in Zukunft wieder mehr auf »weiche« Techniken verlassen müssen. Intuition. Gefühl. Humor und Spieltrieb. Menschenliebe.
Wenn man Menschen »ausbeuten« will, muss man sie auf neue Weise respektieren. Dieses Paradox führt in der Ökonomie der Zukunft zu einer Schleifenbewegung, in der einerseits die »menschliche Sphäre« – die Welt der Gefühle, der Kreativität – näher an »das Ökonomische« heranrückt. In der aber auch Pufferzonen zwischen Ökonomie und Menschenwelt entstehen. Freiräume, in denen die ökonomischen Gesetze teilweise außer Kraft gesetzt sind. Ein garantiertes Grundeinkommen wäre in einer Ökonomie, deren Produktivität weiter gestiegen ist, durchaus denkbar. Vorstellbar
wäre auch, dass zwei Drittel der Bevölkerung ein Grundeinkommen an die Ärmsten der Welt spenden. Von denen es im Jahr 2045 weniger, aber doch noch genug geben wird …
Soziales Unternehmertum wird eine immer größere Rolle in den Berufsbiografien spielen. Nach Sri Lanka gehen und ein Jahr für wenig Geld in einer Schule arbeiten, wird zum Standard-Lebenslauf gehören. Auch für Manager. Firmen, die »Gemeinwohl« als Geschäftsziel festgeschrieben haben, sind im Jahr 2045 keine Ausnahme mehr.
Die Zukunft der Organisationen ist von Heterarchien geprägt. Eher egalitäre, »talentistische« Strukturen, in denen man im Schwarm, im Kollektiv, im kreativen Team arbeitet und die Beute eher teilt, als sie an die Kapitalgeber abzugeben, werden ergänzt und durchdrungen von funktionalen Hierarchien, die allerdings Hierarchien auf Zeit sein werden. In der Organisationslehre nennt man das auch »Fischnetz-Organisationen«: Zu bestimmten Zeiten bilden Organisationen Pyramidenstrukturen aus, etwa wenn es gilt, einen neuen Markt
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