Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
sogar, wenn die Computer größer werden, weil größere Programme noch mehr Fehlermöglichkeiten enthalten. Die Entwicklung wird … konservativer, wenn viel auf dem Spiel steht, und genau das geschieht gegenwärtig.« 6
Wir fliegen seit dreißig Jahren in kaum veränderten Flugzeugen um die Welt, weil Nurflügelflugzeuge zwar weniger Antriebsenergie brauchen, aber auch ganz andere Fliehkräfte entfalten. Warum fahren Autos immer noch stur auf vier Rädern herum, anstatt sich, wie es die Visionäre seit 100 Jahren vorhersagen, in die Luft zu erheben?
Weil alles eine Frage der Kosten-Nutzen-Relation ist. Einen Gegenstand in die Luft zu heben kostet 25-mal mehr Energie, als ihn auf einer glatten Oberfläche rollen zu lassen. Wenn der Forschungsaufwand für Zukunftstechnologie ständig steigt wie im Bereich der Gen- und Nanotechnik oder der Nuklear- und Fusionstechnik, dauert es länger, diese Kosten zu amortisieren. Und damit verlängern sich die technologischen Zyklen, anstatt sich zu beschleunigen.
Das Versprechen der Gentechnik
Im Jahr 2000 rief ein anderer Guru des technischen Heils, der leicht dämonische Craig Venter, auf einer legendären Pressekonferenz mit Bill Clinton ein weiteres neues Zeitalter aus. Die erste Sequenzierung eines menschlichen Genoms eröffnete das »genetic age«. Presse und Öffentlichkeit fieberten bis tief ins intellektuelle Feuilleton dem »größten wissenschaftlichen Durchbruch aller Zeiten« entgegen. Hymnen wechselten sich mit Angstattacken ab: Würden wir demnächst Menschen klonen und Designerbabys herstellen, blaue Augen für 500 Euro? Mit Sicherheit würden wir demnächst endlich die letzten furchtbaren Krankheiten abschaffen. Inzwischen ist es eher still geworden um die Segnungen und Mutationen des genetischen Zeitalters. Das hat mehrere Gründe. Technologische, ökonomische und »soziopsychologische«.
Im Zentrum des Fortschrittsversprechens der Gentechniker steht die »individualisierte Medizin«. Wenn wir den biologischen Code – die DNA – eines Menschen genau kennen, können wir, so die Prämisse, die Behandlung exakt auf seine molekulare Struktur abstellen. Personalisierte Medikamente, personalisierte Operationen, personalisierte Vorsorge, maßgeschneiderte Behandlung mit ungleich höheren Wirkungsgraden.
Kleine Teile dieses Versprechens haben sich schon erfüllt. Allerdings wird eine solche Medizin unglaublich teuer sein. Wenn wir ehrlich sind, würde sie unser Gesundheitssystem regelrecht in die Luft sprengen. Bei jeder Behandlung stellt sie uns vor ein moralisches Problem. Ein Kosten- und Risikoproblem.
Stellen wir uns einmal vor, man könnte für ein paar 100 000 Euro eine Lunge klonen. Individuell, ohne Abstoßungsreaktionen. Wie würde sich die Raucherquote entwickeln? Bei den Reichen und bei den Armen?
Gleichzeitig hat sich unser »genetisches Modell« um neue Erkenntnisse erweitert. Die Idee, ein Organismus, ein menschlicher Körper sei durch seine Gene vollständig und unabänderlich programmiert, erweist sich als ein Relikt aus dem mechanischen Zeitalter. Seit einigen Jahren zeigt uns die neue Wissenschaft der Epigenetik, wie komplex das Verhältnis zwischen Umwelt, Phänotypus und Genotypus tatsächlich ist. So beeinflusst unsere Umwelt genetische Zustände in den Zellen viel stärker, als vorher angenommen. Traumatisierungen in der Kindheit etwa können den realen physischen Organismus »umprogrammieren« – und diese Codierungen können sich sogar an die nächste Generation vererben. Misshandelte Mütter bekommen ängstliche Kinder, auch wenn diese Kinder in ganz anderen Verhältnissen aufwachsen. 7 Erfahrungen lagern sich sozusagen im Gencode ab. Wir sind wandelnde Wechselwirkungen, keine programmierten Gen-Träger! Nach Ansicht von Molekularbiologen gehen außerdem nur zehn Prozent unseres gesamten Krankheitsrisikos auf die Gene zurück.
Gentechnologie, so viel ist gewiss, wird unser Wissen über das Leben im Laufe dieses Jahrhunderts immer weiter verfeinern. Krebs wird irgendwann vielleicht tatsächlich eine beherrschbare Krankheit sein, wie es Aids und einige Krebsarten heute schon sind. In England wurde unlängst die Geburt des ersten Babys annonciert, das die genetische Disposition für Brustkrebs, die beide Elternteile hatten, nicht trug. Hier wird segensreich ein Defekt vermieden, und solche Möglichkeiten werden sich im menschlichen Konsens durchsetzen. Aber wird man deshalb »Babys klonen« oder »Menschenzucht« betreiben? In vielen
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