Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Modell, mit dem ich nun die Welt betrachte und das mir hilft, sie vorherzusagen. Durch ständiges kritisches Überprüfen und Abgleichen mit neuem Faktenwissen entwickelt sich Kompetenz. Wissen ist daher mehr als reine »Speicherung« von Fakten, das macht auf Dauer keinen Sinn, zum Wissen gehört das Erproben durch Handeln.
Das Internet macht den Wissenserwerb einerseits leichter. Ich kann, wenn ich Informationen brauche, unendlich viel mehr davon erreichen. Aber es kann den Verdichtungsprozess auch korrumpieren. Wir vergessen irgendwann die Frage, die wir hatten (für deren Beantwortung wir Information benötigen). Jeder kennt den Zustand des »leeren Surfens«, in dem man ohne Ziel und Richtung von Website zu Website springt. Das Hirn ist bei diesem Prozess »semi-erregt«, aber es lernt nicht.
Ein Massenmedium filtert Inhalte und zwingt deshalb den Leser/ Hörer/Seher zu einer komplexen Grundsatzentscheidung. Will ich dieser Zeitung glauben? Sind die Journalisten glaubwürdig? Diese Filterung entlastet. Sie macht uns nach dem Vertrauensprinzip produktiver.
Durch das Internet fällt die Filterfunktion plötzlich wieder auf das Individuum zurück. Öffentlichkeiten, die durch Kompetenz und Expertentum zusammengebunden waren, können (wieder) auseinandergerissen werden. Das unterstützt das Einengen von Interessen – es ist leicht, sich nur noch für das zu interessieren, was man schon kennt. Statt Individualisierung von Wissen entsteht so eher eine Atomisierung von Wissen. Aber »wahres Wissen« ist immer auch etwas Soziales; ein Muster, das man mit anderen Menschen teilt.
Ein weiteres Problem hat mit den begrenzten Fähigkeiten des menschlichen Hirns zu tun, Störungen zu absorbieren. Die Leitwissenschaft der Zukunft ist vermutlich die Aberratiologie – die Lehre
von den Ablenkungen. Auf eine geheimnisvolle Weise ermöglichen Computernetzwerke in Krankenhäusern offenbar nicht, dass man sich mehr um die Patienten kümmert und unnütze Bürokratie rationalisiert. Im Gegenteil. Informelle Vernetzung, so ahnen wir, führt in vielen Fällen direkt in ein Stör-Universum.
Das menschliche Hirn braucht drei bis fünf Minuten, um sich auf eine komplexere Aufgabe zu konzentrieren. Die »Störungsrate« in modernen, kommunikativ-informell geprägten Arbeitswelten liegt jedoch bei etwa elf Minuten. Alle elf Minuten werden wir durch einen Kommunikationseinbruch unterbrochen. Jeder kann das in seinem Arbeitsumfeld überprüfen. Fax, E-Mail, Telefonate, die Kinder, der Anruf von zu Hause, der Paketbote kommt, Twitter, Facebook, wo ist die verdammte Batterie für die Funkmaus …
Das Problem geht dort weiter, wo das menschliche Hirn zwischen Information und Kommunikation in eine massive Irritation gerät. Informationen lassen sich priorisieren, organisieren und »abarbeiten«. Kommunikationen verlaufen in Jetztzeit. Wenn meine Frau mich anruft – will sie dann mit mir kommunizieren oder mir eine Information mitteilen (was ich im Prinzip verschieben könnte, wenn es nichts Dringendes ist)? Die rund um die Uhr offenen Kanäle der modernen Medienwelt lassen uns »rotieren«: Ständig sind wir damit beschäftigt, Kommunikation zu klassifizieren. Spreche ich auf den Anruf beantworter oder schicke ich eine SMS? Antworte ich auf die Mail sofort oder später? Die Netzwerk-Technik macht uns zu einer Art Sortierpostamt von Aufmerksamkeiten.
Als Antwort scheint sich das viel gelobte »Multitasking« anzubieten. Aber wenn wir mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen wollen, werden wir in allen Aufgaben sehr viel langsamer und uneffektiver. Praktisch alle weltweiten Tests und Studien zum Multitasking haben erwiesen, dass bei der Teilung von Aufmerksamkeiten alle Teiltätigkeiten rapide verlangsamt und schlechter ausgeführt werden. 9
Kollektiv sind wir, so heißt es, schlauer. Wirklich? Ein Experiment von Bernd Helbing an der ETH Zürich macht die Grenzen dieser Vermutung klar. Helbing fragte eine Gruppe von Studenten
nach klassischen Quizfakten – wie hoch ist die Bevölkerungsdichte der Schweiz, wie viele Kilometer misst die Grenze zwischen Italien und der Schweiz? »Schwarmintelligenz« soll solche Fragen besser beantworten als ein Individuum. Aber als man den Probanden die Werte der anderen Mitspieler mitteilte, wurden die Ergebnisse schlechter. Sie verzerrten sich in Richtung auf »das, was die anderen meinen«. Opportunismus, ein in Menschengruppen ständig vorkommendes Phänomen, konterkariert den Schwarm-Effekt. 10
Die
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