Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
agrarischen Sektoren sind heute genoptimierte Pflanzen schon normal. Aber zwischen Optimierung – höherer Resistenz, weniger Wasserverbrauch, mehr Ertrag – und der Erzeugung völlig neuer, »transgener« Organismen klafft ein Abgrund. Dieser ist womöglich gar nicht so sehr moralischer
als profaner Natur: Wenn man sich die »Erfolge« der Pflanzen-Gentechnik etwas genauer anschaut, wird man das Gefühl nicht los, man hätte das auch irgendwie anders hinkriegen können – durch die alten Kulturtechniken der Züchtung etwa. Vielleicht hätte es ein wenig länger gedauert. Aber nur unwesentlich. Denn auch biologische Züchtung ist heute schon Hightech.
Die Organismen, die wir heute auf der Erde finden, sind in gewisser Weise unglaublich perfekt. Sie sind Ergebnisse eines Millionen Jahre dauernden Optimierungsprozesses, eines »Feinschliffs« durch die Natur. Wenn man jemals Bildbände mit der faszinierenden Fauna der Tiefsee gesehen hat, wenn man mal einige Wochen offenen Geistes in der Serengeti verbracht hat, fällt einem zu gentechnischen Utopien nicht mehr viel ein. Wir ahnen, dass genetische Instrumente in Menschenhand immer etwas Grobschlächtiges hätten. Wir würden es verpfuschen! Oder wir würden es einfach ekelhaft finden. In einigen Jahren kommen gentechnisch erzeugte Hühnchenschenkel auf den Markt. Ohne Huhn, reines Laborfleisch. Werden wir das essen? Ich glaube kaum.
Gentechnik, so das ernüchternde Fazit, ist eine interessante Technologie, von der wir noch viel zu erwarten haben. Aber kein Megatrend, der unser Leben, unsere Organisationsformen, unsere ganze Sozio-Ökonomie im Sinne eines Kondratieff-Schubes verändern wird.
Die Informations-Illusion
Eine Front, an der der Glaube an die technische Zukunft ungebrochen scheint, ist die Informationstechnologie. Wer wollte die irrwitzigen Fortschritte im Reich des Computer- und Kommunikationstechnik bestreiten?
Digitale Techniken befeuern seit ungefähr einem Jahrzehnt ein durchdringendes emanzipatorisches Versprechen. Eine weltweit vernetzte Welt, so die Gläubigen des Digitalen, könne keine Unterdrückung mehr verheimlichen, werde die Menschen befreien, sie immer weiter »empowern«. Die Aufstände und Revolutionen in den arabischen Ländern kamen unvorhergesehen und irgendwie
unerklärlich – also erklärte man sie durch Technologie, durch Twitter und Facebook. Der Hunger in der Welt, in Afrika, ist schwer zu beenden. Also sollen Handys das erledigen.
Aber was wäre, wenn die Netzwerktechniken uns gar nicht wirklich produktiver und positiv-kommunikativer machen – jedenfalls nicht »automatisch«? Jaron Lanier, Hippiebeauftragter des Cyberspace, hat in seinem Abrechnungsbuch für digitale Illusionen drastische Worte gefunden:
»Die siegreiche Kultur (des Internet) hat keinen Namen, aber ich bezeichne sie gelegentlich als ›kybernetischen Totalitarismus‹ oder als ›digitalen Maoismus‹ … Neuartige Formen sozialer Beziehungen, die erst in der Online-Kultur entstanden sind, haben zur Ausbreitung des modernen vernetzten Terrorismus beigetragen. Sieht man sich irgendeinen Online-Chat an, ob nun über Gitarren, Pudel oder Aerobics, erkennt man ein durchgängiges Muster: Der Dschihad-Chat sieht genauso aus wie der Pudel-Chat … Überall entsteht eine Meute, und entweder ist man dafür oder dagegen. Wenn man sich der Meute anschließt, übernimmt man auch den kollektiven, ritualisierten Hass.« 8
Eine Meute? Sollte es nicht genau andersherum sein – waren nicht die bösen, alten Massenmedien die Erzeuger von »Meuten«? Um das Problem zu verstehen, müssen wir verstehen, was »Wissen« bedeutet. Grob vereinfacht ausgedrückt, ersetzt das Internet a) Wissen durch ständig verfügbare Information und b) zielgerichtete Kommunikation durch unendlich erweiterte Kommunikationsoptionen.
Wenn wir Texte auf E-Readern lesen, lesen wir tatsächlich oberflächlicher, als wenn wir ein Buch lesen – das haben erste Vergleichstests ergeben. Wenn wir oft online sind, merken wir uns Fakten weniger gut. Denn die »Suchmaschine« lässt uns Inhalte aus dem Hirn auslagern – wir können ja jederzeit googeln. Inzwischen hat sich ein griffiger Ausdruck dafür gefunden: digitale Demenz.
Wissen entsteht in einem ständigen Rekursionsprozess und Filtern dessen, was ich weiß, was ich sehe und höre und was ich davon glaube oder wichtig finde. Echtes Wissen entwickelt sich immer schichtenweise. Ich nehme Informationen auf und baue daraus in meinem Kopf ein
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