Das Midas-Kartell
Klassiker. Ich bin sehr froh, dass Sie sich bei der Hose gegen die Aufschläge entschieden haben.«
»Ein Klassiker bleibt immer ein Klassiker.« Daniel nahm den affektierten britischen Akzent auf, den er im Internat gelernt hatte. Sobald er in den Staaten war, verfiel er in seinen gewohnten Neuengland-Dialekt, aber hier in London machte es SpaÃ, so zu tun, als wäre man ein Einheimischer. Das war so ziemlich alles, was er aus dem Internat mitgenommen hatte: die Fähigkeit, sich als elitärer Brite auszugeben und auf andere genauso herabzublicken, wie seine Mitschüler auf ihn herabgeblickt hatten. Für die astronomischen Summen, die sein Vater für die Schule lockergemacht hatte, war das nicht viel.
Daniel betrachtete sein Bild im Spiegel. Er sah gut aus. Er fühlte sich gut. Der Anzug war das Sahnehäubchen auf dem Kuchen, das er sich gegönnt hatte, nachdem er als Jahrgangsbester an der Harvard Business School seinen Master in Finanzwissenschaft abgeschlossen hatte. Am Montag würde er bei Hausmann & Sons anfangen, einer Wirtschaftsprüfungskanzlei mit Filialen in New York, London, Paris und Tokio. Sie hatten ihn von der Uni weg engagiert und sogar gefragt, wohin er am liebsten gehe wolle. Als er sich für London entschied, waren sie einverstanden.
Daniel liebte die Arbeit. Er liebte Zahlen, und er liebte Muster. Sie erschlossen sich ihm wie von selbst, wie eine komplexe Sprache, die aber unendlich viel prägnanter und präziser war als das launische Englisch. Und er erwies sich als bemerkenswert kompetent in seinem neuen Job. Nach sechs Monaten sprach ihn sein Chef an.
»Wir haben was für Sie, Daniel, etwas, das ein bisschen auÃergewöhnlich ist. Ich weiÃ, Sie sind noch nicht lange bei uns, aber es geht um einen äuÃerst wichtigen Kunden, und wir sind fest davon überzeugt, dass Sie der richtige Mann für diese Aufgabe sind. AuÃerdem würden Sie Ihr Personalprofil damit rasant aufwerten.«
Daniel lächelte dankbar und wartete ab, was ihm sein Chef anzubieten hatte.
»Zweifellos haben Sie schon von Wittgensteinâs gehört, der letzten privaten Handelsbank der Stadt, die auÃerdem zu den ältesten Bankhäusern hierzulande gehört. Die Inhaber sind sehr stolz auf ihr Vermächtnis und erwarten, dass jeder, der mit ihnen Geschäfte macht, der Geschichte des Hauses gebührende Hochachtung entgegenbringt. Es werden also, fürchte ich, viele Kotaus von Ihnen verlangt werden. Und Sie sollten sich genauestens über das Haus informieren, bevor wir Sie darauf loslassen.«
Malcolm legte den Stift auf seinem Block ab. Daniels Mienenspiel war lebhaft, doch sein Blick war in sich gekehrt, der Vergangenheit zugewandt. Er war so weit weg, dass schwer zu bestimmen war, von wo man ihn zurückholen musste.
»Sie sollten ein Buch lesen, bevor Sie für die Bank arbeiten durften?«, fragte Malcolm.
»Zwei. Die Familie hatte zwei Biografien in Auftrag gegeben. Da erkennt man schon, wie sie sich selbst sahen. Das erste Geld machten sie im siebzehnten Jahrhundert mit dem Handel von Wolle. Verliehen ihr Ãberschusskapital an andere Branchen, zum Beispiel an die Spekulanten, die Schiffe in die Neue Welt sandten. Sie waren eine Handelsbank im ursprünglichen Wortsinn.«
Malcolm kratzte sich mit dem Stift am Kopf. Als er sich entschlossen hatte, LSD für das Verhör einzusetzen, hatte er nicht mit einer Geschichtsvorlesung gerechnet.
»Unter Napoleon kam dann der eigentliche Wohlstand. Sie finanzierten den Duke of Wellington, der am Ende Napoleon den Rest gab, erlitten ein paar Verluste in der Rezession der Zwanzigerjahre, haben sich aber all die Jahre gut gehalten. Heute gelten sie als die Vernunftlösung, weil sie unspektakuläre, aber zuverlässige Portfolios zusammenstellen. Zu ihrem exklusiven Kundenkreis gehören entfernte Verwandte des Königshauses, ein paar Adlige, die noch Geld haben, und ein paar prominente FuÃballer und Stars der Unterhaltungsbranche, die den renommierten Namen schick finden.«
»Sie haben sich also gefreut, als Sie die Wittgensteins als Kunden übernahmen?«
»Natürlich. Wittgensteinâs ist nicht einfach nur eine Bank, sondern ein Gentlemanâs Club. Die haben noch nicht einmal eine Niederlassung in der City, sondern operieren lieber vom Westend aus. Und Pieter ist ein leutseliger Firmenchef und extrem groÃzügig. Jedenfalls war er das, als ich
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