Das Midas-Komplott - Thriller
zweifelte keine Minute daran, dass er nur auf eine Gelegenheit lauerte, um das Blatt zu wenden. Etwas in Tyler wünschte sich fast, dass er es versuchte.
»Eine Bewegung und Sie sind ein toter Mann!«
»Nein, Sie werden mich nicht töten, Sie brauchen mich noch.«
»Okay. Ich werde Sie in die Knie schießen. Bleiben Sie also in der Ecke, wenn Sie nicht für den Rest Ihres Lebens humpeln wollen.«
Orr schwieg. Er hatte verstanden. Tyler wandte sich wieder dem Sarg zu, stellte sich aber so, dass er Orr im Auge behielt.
Der Sarkophag stand auf einer goldenen Plattform von einem knappen Meter Höhe nicht weit vom Rand der Terrasse über dem kochenden See. Tyler ließ seine Hand über den reich geschnitzten Deckel gleiten. Irgendwie fühlte er sich anders an, als er erwartet hatte. In seiner Verblüffung drückte er gegen das Gold. Es schien weich zu sein.
Er hatte sich Gedanken gemacht, wie er den Deckel öffnen
sollte. Wäre er massiv gewesen, hätte er viele Hundert Kilo gewogen. Aber der Sarkophag war nur vergoldet.
Tyler klappte sein Leatherman auf und kratzte damit über die goldene Plattform. Das Gold ging an einigen Stellen ab. Darunter kam Tuffstein zum Vorschein. Stacy kniete sich hin, um besser sehen zu können. Sie richtete die Kamera auf den Kratzer. »Der Sockel, die Wände – sind sie alle nur mit einer dünnen Goldschicht überzogen?«
»Anscheinend verwandeln sich nur organische Substanzen, und selbst sie müssen für eine längere Zeit ganz in die heiße Quelle eintauchen. Deshalb ist der Sarkophag nur vergoldet. Die beiden Körper stellen allerdings eine beträchtliche Menge Gold dar.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt«, meldete sich Orr, noch immer in der Ecke kniend, »dass das einzig wirklich Wertvolle hier die Berührung des Midas ist.«
»Ja, das haben Sie gesagt«, entgegnete Tyler. »Schön für Sie!«
»Sollten wir das mit der Berührung einmal selbst ausprobieren? «, fragte Stacy.
Tyler nickte und reichte ihr die Gummihandschuhe aus Orrs Tasche. »Wir müssen aber wirklich sehr aufpassen. Gia Cavano behauptete, der Drogenschmuggler sei vergiftet worden, als er in den Sarg fasste.«
Sie zogen die Handschuhe an. Der Deckel war nicht befestigt. Sie hoben ihn ab und lehnten ihn gegen den Sarg.
Der einbalsamierte Leichnam des Midas grinste sie an. Die Haut des Königs spannte sich straff über seinen verdorrten Lederwangen. Er war in königlichen Purpur gehüllt und trug eine goldene, mit Rubinen und Saphiren geschmückte Krone. Eine ausgetrocknete Hand ruhte auf dem Brustkorb, die andere lag verdreht an seiner Seite. Jeder Finger war mit einem prächtigen Ring verziert.
Der Schmuggler hatte wahrscheinlich die wertvollen Ringe ertastet, als er damals in den Sarkophag gegriffen hatte. Kaum hatte er aber die Haut des Königs berührt, war er zurückgezuckt und der Sargdeckel fiel wieder an seinen Platz. Orr fragte: »Ist es Midas?«
»Ja«, sagte Tyler. »Leibhaftig, sozusagen.«
»Der König muss diese Grabkammer monatelang, vielleicht auch jahrelang vorbereitet haben. Seinen treuen Gefolgsleuten dürfte er aufgetragen haben, ihn nach seinem Tod hier zu bestatten«, überlegte Stacy laut. »Sie schlossen die Kammer hinter ihm.«
Tyler wühlte in Orrs Rucksack und holte die beiden Wasserflaschen heraus.
Er brauchte einen Gegenstand für sein Experiment. Sein Blick fiel auf den neapolitanischen Schmuggler, dessen Schuhe noch intakt waren. Ihre Nylonschnürsenkel eigneten sich perfekt für das, was er vorhatte. Tyler zog einen aus den Ösen. Er rieb beide Enden an der Hand des Königs. »Mach die Flaschen auf«, bat er Stacy.
Stacy filmte, während Tyler den Schnürsenkel in das Salzwasser tauchte. In Sekunden blühte es golden an dessen Spitze auf. Sie wiederholten das Experiment mit goldhaltigem Süßwasser. Diesmal war der Effekt noch größer, denn die Lösung enthielt eine höhere Konzentration von Gold als das Meerwasser. Tyler nahm den goldenen Schnürsenkel heraus. Stacy stand mit offenem Mund da. »Mein Gott! Es funktioniert!«
»Unglaublich«, murmelte Tyler. Er hätte es nicht geglaubt, wenn er nicht mit eigenen Augen Zeuge des Vorgangs geworden wäre. Er wusste, dass es anderen ähnlich gehen würde.
»Wir sollten eine Probe mitnehmen, um das Experiment zu wiederholen, wenn wir wieder draußen sind. Nimm den Plastikbehälter dort.«
Während Stacy den Plastikbehälter öffnete, holte Tyler tief Luft und brach die mit Ringen geschmückte Hand des Midas ab. Er legte sie
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