Das Midas-Komplott - Thriller
floh und man nie wieder von ihm hörte.«
»Großartige Geschichten«, sagte Tyler. »In einem Punkt stimme ich dir allerdings zu, dass er die Fähigkeit gehabt haben soll, alles in Gold zu verwandeln, ist absurd. Alchemisten haben jahrhundertelang Midas spielen und Blei zu Gold verwandeln wollen. Sie sind gescheitert, weil es physikalisch nicht funktionieren kann.«
Stacy hatte sich seit der Highschool nicht mehr mit Naturwissenschaften befasst, von Chemie hatte sie keine Ahnung.
»Warum nicht?«, fragte sie. »Vielleicht gibt es ja doch eine Formel, die wir nur noch nicht gefunden haben.«
»Wenn bei dieser Geheimformel keine Kernspaltung stattfindet, dürfte es nicht funktionieren. Blei hat ein höheres Atomgewicht als Gold, das heißt, es hat mehr Protonen. Der einzige Weg, wie aus Blei Gold werden kann, besteht darin, dass es einige Protonen verliert. Wenn man Protonen aus einem Atomkern entfernt, hat man eine Kernspaltung. Man könnte es vermutlich in einem Atomreaktor machen, aber das Verfahren wäre so teuer, dass das Ganze eine Milchmädchenrechnung wäre.«
»Du hältst Orr also für verrückt?«
»Wenn er tatsächlich an Magie glaubt, muss er einen Totalschaden haben.«
»Ich kann nachvollziehen, warum er ausgerechnet dich haben will. Du hast das Geolabium nachgebaut. Aber wofür braucht er mich? Leute mit meinen Qualifikationen gibt es wie Sand am Meer.«
»Mit den Geisteswissenschaften habe ich während des Studiums nie was am Hut gehabt«, sagte Tyler. »Was genau versteht man unter Altphilologie?«
»Das Studium der klassischen Sprachen Griechisch und Latein. «
»Und deshalb kannst du Altgriechisch. Auch Latein?«
»Ja. Außerdem habe ich einige neue Sprachen gelernt. Ich spreche Neugriechisch, Italienisch, Französisch und Deutsch.«
Tyler pfiff durch die Zähne. »Das ist unglaublich. Ich wünschte, ich hätte Fremdsprachenkenntnisse. Sprachen liegen mir einfach nicht, glaube ich. Es sei denn, du lässt Taubstummensprache gelten. Meine Oma konnte nicht hören, deshalb habe ich sie von ihr gelernt. Ich habe sie auch Grant beigebracht.«
»Klar zählt Zeichensprache«, sagte Stacy. »Aber die kann ich nicht. Nur gesprochene Sprachen.«
»Warum alte Sprachen?«
»Ich bin auf einer Farm in der Nähe von Des Moines aufgewachsen. Meine Eltern hatten nicht viel Geld, wir sind nie gereist, außer zum Camping nach Minnesota. Ich habe mir immer gewünscht, die herrlichen Städte Europas zu sehen, und mir irgendwie eingebildet, ein Abschluss in Altphilologie würde mir dabei helfen. Als ich zur Hälfte fertig war, merkte ich, dass ich gar keine Lust hatte, in die Forschung zu gehen. Zu Ende studiert habe ich trotzdem. Ich hatte hunderttausend Dollar Schulden an Studienkosten zurückzuzahlen. Dann hörte ich, dass man jemanden für die Fernsehsendung ›Jagd auf die Vergangenheit‹
suchte, und habe mich beworben. Ich bin keine Schauspielerin, aber sie suchten jemanden mit Qualifikationen und kein Blondchen, das vom Teleprompter abliest, und so bekam ich die Stelle. Meine Darlehen hatte ich nach einem Jahr zurückgezahlt.«
»Deine Eltern sind bestimmt stolz auf dich. Leben sie noch in Iowa?«
»Sie sind gestorben. Beide waren Raucher. Der Krebs hat sie erwischt.«
»Das tut mir leid.«
»Jetzt sind nur noch ich und meine Schwester übrig. Sie hat Jura studiert. Sie studiert Jura, verdammt.«
Tyler tätschelte leicht ihr Knie. Es war nur eine kleine, teilnahmsvolle Geste, aber sie war dankbar dafür.
Sein Handy meldete sich. »Das dürfte Grant sein«, sagte er, aber nach einem Blick auf das Display wurde sein Gesichtsausdruck grimmig.
»Was ist?«, fragte sie.
»Orr. Ich soll meine E-Mails checken.«
Nachdem er ein paarmal auf das Display getippt hatte, hörte Stacy Worte, verstand sie aber nicht.
Tyler hielt das Telefon schräg, sodass sie es sehen konnte, und ließ das Video noch einmal abspielen. Zuerst sah man eine Zeitung mit dem heutigen Datum. Sie wurde kleiner, bis man endlich zwei Männer sehen konnte, einen Mann in einer schwarzen Skimaske neben einem anderen Mann auf einem Stuhl.
Der sitzende Mann schien Ende fünfzig oder Anfang sechzig zu sein. Er trug einen Anzug. Er war an Armen und Beinen gefesselt, sah jedoch nicht verletzt aus. Eigentlich wirkte er sogar unglaublich fit, nicht nur für sein Alter. Man hatte ihm eine Binde über die Augen gelegt, aber das ausgeprägte Kinn und das kurze braune Haar ließen wenig Zweifel daran, dass sie Tylers Vater vor Augen
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