Das Midas-Komplott - Thriller
er das Geolabium baute.«
Über den Internetzugang des Flugzeugs holte Stacy Fotos von drei korrodierten Bronzeteilen auf ihren Bildschirm, von
denen das größte den Durchmesser einer Grapefruit hatte. In jedem Teil waren komplizierte Zahnradübersetzungen erkennbar.
»Als hätte jemand seine Uhr tausend Jahre im Regen liegen lassen«, witzelte Grant.
»Etwa zweitausend Jahre«, verbesserte Tyler ihn.
»Gefunden wurden die Metallreste im Jahr 1900 in einem Schiffswrack vor der griechischen Insel Antikythera«, fuhr Stacy fort. »Jahrelang hat kein Hahn danach gekräht, bis eines Tages einem Archäologen auffiel, wie ausgeklügelt die Zahnräder waren und dass man ähnlich anspruchsvolle Apparate erst wieder tausendfünfhundert Jahre später baute. Man spricht deshalb auch von der ersten analogen Rechenmaschine der Welt. Der Fund war so spektakulär, wie es etwa ein IBM-Computer wäre, den man heute in einem mittelalterlichen Burgverlies entdeckte.«
»Was kann man damit berechnen?«, fragte Grant.
»Darüber redet man sich seit Jahren die Köpfe heiß, die meisten Wissenschaftler vermuten, dass man damit astronomische Berechnungen durchführen kann, Planetenbewegungen, Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen, vielleicht sogar Sonnenfinsternisse vorhersagen kann. Die Pflanzzyklen in der Antike und auch die Verehrung der Götter richteten sich nach den wichtigen Ereignissen des Himmels. Vielleicht diente das Gerät dazu, sie zu berechnen.«
Als Nächstes zeigte sie Grant das Bild eines glänzenden Bronzegeräts hinter einer Glaswand. Die Vorderseite war mit zwei Scheiben und einem seitlichen Knopf versehen. Die Wände waren transparent, sodass die Zahnräder im Inneren sichtbar blieben; griechische Buchstaben markierten einige der Punkte.
»Hier ein Nachbau aus dem Archäologischen Nationalmuseum in Athen«, erklärte Tyler. »Man hat die geretteten Stücke geröntgt.«
»Sieht ganz wie das Geolabium aus, das du gebaut hast«, warf Grant ein.
»Sie sind sich ähnlich, aber die Markierungen auf dem Geolabium sind komplett, und es hat zwei Knöpfe statt nur einem.«
»Der Codex ist also eine Art Bauanleitung für einen Antikythera-Rechner«, folgerte Stacy.
»Oder etwas Vergleichbares«, sagte Tyler. »Wirklich aufregend finde ich aber etwas ganz anderes. Der Codex beweist nämlich, dass der Entwurf von Archimedes stammt.«
Grant grinste. »Du meinst den Typ, der ›Heureka‹ schrie, als er den Todesstrahl erfand?«
Grants breitem Grinsen entnahm Stacy, dass er sehr wohl wusste, dass er zwei Überlieferungen des größten Erfinders, Ingenieurs und Mathematikers der Antike vermischte.
»Fast getroffen«, sagte sie.
»Angeblich saß Archimedes in seiner Badewanne und grübelte über ein Problem nach, das er für seinen Herrn, den Herrscher Hieron von Sizilien, lösen musste«, begann sie. »Man hatte ihm eine Krone geschenkt, die angeblich aus reinem Gold war. Der König wollte wissen, ob das tatsächlich zutraf, ohne die Krone zu beschädigen. Archimedes hatte die Idee, dass er vermittels der Wasserverdrängung eines Goldbarrens vom Gewicht der Krone feststellen konnte, ob die Wasserverdrängung der Krone ebenso groß war. Wäre sie größer oder kleiner, wäre der Krone ein anderes Metall beigemischt. Splitterfasernackt rannte er auf die Straße und schrie: Heureka! Ich hab’s gefunden!
Der König holte sich ebenfalls Hilfe bei Archimedes, als er Waffen brauchte, um die Belagerung der Römer im zweiten punischen Krieg im Jahr 214 vor unserer Zeit abzuwehren. Die zeitgenössischen Historiker berichten von einem Todesstrahl, den Archimedes erfunden haben soll, indem er das Sonnenlicht
mit Parabolspiegeln bündelte, sodass die feindlichen Schiffe im Hafen von Syrakus in Flammen aufgingen. Seine Großtat nachzumachen, ist aber noch nicht wieder gelungen, obwohl Studenten von Tylers Universität und auch die Mythbusters im Fernsehen es versucht haben. Man vermutet deshalb, dass die Geschichten übertrieben sind.
Archimedes’ Ruf als Erfinder und Wissenschaftler war anscheinend so groß, dass selbst Übertreibungen Glauben fanden.«
»Der Codex beschreibt aber nicht nur, wie man das Geolabium baut«, fuhr Tyler nun mit offenkundiger Begeisterung fort, »er ist auch das einzige Exemplar eines bisher verschollenen Archimedes-Traktats. Darin sind Dutzende von Geräten dargestellt, nicht nur das Geolabium.«
Stacy wünschte sich, sie könnte seine technische Begeisterung teilen, aber ihr lag mehr daran, wie
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