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Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Titel: Das Ministerium der Schmerzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dubravka Ugresic
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Sie das?«
    »Sehen Sie es immer noch nicht?«
    »Nein. Geben Sie zu, Sie haben sich das soeben erst ausgedacht.«
    »Ist das nicht phantastisch?«
    »Selbst wenn es so wäre, es könnte ein malerischer Brauch jener Zeit sein.«
    »Er, ihr Schöpfer, spiegelt sich in der kleinen Perle an ihrem Ohr!«
    »Manche behaupten, das Mädchen auf dem Bild sei Vermeers Tochter Maria. In diesem Fall wäre das die erste symbolische Darstellung der DNA .«
    »Dann ist alles noch phantastischer! Wie ist der Alte nur in sie hineingeschlüpft. Ein tolles Piercing!«
    »Andere meinen, dies sei nicht das Bild einer bestimmten Person, sondern eine Charakterstudie. Solche Porträts mit Turban gibt es auch bei Rembrandt. In diesem Museum …«
    »Die Ersteren haben Recht.«
    »In diesem Fall trägt Ihre Freundin ihren Vater am Ohr.«
    »Und wen tragen Sie am Ohr?«, fragte er plötzlich.
    »Ich weiß nicht. Auch Ihre Freundin weiß nicht, dass sie an ihrem Ohrring das Spiegelbild ihres Schöpfers und hypothetischen Vaters trägt. Auch die Betrachter sehen das nicht. Nicht alle laufen mit einem Vergrößerungsglas durch die Gegend wie Sie«, sagte ich.
    »Wie ich und der alte Sherlock Holmes.«
    Igor stand hinter mir, eine Hand auf meiner Schulter. Sein warmer Atem streifte meinen Nacken. Ich bekam eine Gänsehaut. Behutsam nahm ich seine Hand von meiner Schulter und drehte mich um.
    »Und Sie? Wo ist Ihr Tattoo?«, fragte ich.
    »Ich habe keins.«
    »Und Uroš?«
    »Was hat Uroš damit zu tun?«
    »Uroš trug einen Stempel, seinen Vater …«
    »Der war ein Mörder und kein Vater!«
    »Erinnern Sie sich an den Fragebogen, den ich in der ersten Unterrichtsstunde verteilte …?«
    »Ach, der blöde Fragebogen«, sagte Igor, wobei er
blöd
betonte.
    »Auf die Frage, was er von meinen Vorlesungen erwarte, antwortete er ›Zu mir zu kommen‹.«
    »Das klingt etwas corny. Uroš war auch sonst nicht the sharpest tool in the shed.«
    »Was soll das heißen?«
    »Dass er nicht besonders helle war.«
    »Das ist hässlich, was Sie jetzt gesagt haben.«
    »Sorry.«
    »Uroš sendete Hilferufe, aber wir hörten sie nicht. Oder wollten sie nicht hören. Ich bin schuld daran …«
    »Und jetzt plagen Sie Gewissensbisse?«
    »Die Kinderköfferchen, sie enthalten eine Botschaft, nur können wir sie nicht entziffern. Wir laufen alle wie blind herum, dabei wimmelt es rund um uns von kleinen Signalen. So wie Ihr hypothetischer Vermeer in der Perle eines ist. Die Welt würde vielleicht anders aussehen, wenn wir alle mit einem Vergrößerungsglas herumliefen. Oder wenn wir wie Märchengestalten plötzlich die Gabe hätten, die Sprache der Pflanzen und der Tiere, aber auch die der Menschen zu verstehen. Wirklich zu verstehen, was die Menschen uns sagen.«
    »This really sucks, Prof! Die Menschen sprechen nicht, sondern faseln. Aber wir müssen hier raus. Gleich schließen sie. Ich lade Sie auf eine heiße Schokolade ein, okay?«
    Igor und ich waren die letzten Besucher. Beim Verlassen des Museums gelang es mir noch, ein Souvenir zu kaufen, einen eiförmigen Briefbeschwerer aus Glas. Darin sah man die Reproduktion von Igors Freundin.
    Draußen rieselte Schnee. Wir gingen über einen kleinen Platz zu einem Café, setzten uns neben ein Fenster und bestellten die Schokolade. Ich war auf Uroš’ Tod programmiert und konnte nicht damit aufhören.
    »Wer weiß, vielleicht habe ich den Finger am Abzug gehabt«, sagte ich.
    »An was für einem Abzug?«, fragte Igor barsch.
    »Ich meine, vielleicht bin ich an Uroš’ Tod schuld. Er hat mir ein Signal gesandt, und ich habe es nicht gehört …«
    »That’s a load of crap! Das kann man sich nicht mehr anhören,
drugarica
. Sie romantisieren Uroš’ Tod und wissen selbst nicht, warum. Damit es Ihnen leichter wird? Wer weiß, warum er sich umgebracht hat. Vielleicht war er übergeschnappt. Vielleicht war er die Reise leid und ist aus dem Zug gestiegen. Er hat sich schön verabschiedet, Auf Wiedersehen gesagt, tschüss, zbogom, zdravo, tot zhiens, good-bye, adieu, fuck you all. Welcher Teufel reitet Sie, warum müssen Sie dauernd davon quasseln?!«
    »Weil niemand sonst das tut«, sagte ich.
    »Werden Sie endlich vernünftig … Ihre Tränen tropfen schon in die Schokolade!«
    »Ich hör ja schon auf …«
    »Wohin bin ich nur geraten, in welchen Film! In the movie of the week? Oder in einen Roman von Danielle Steel?«, brummte Igor.
    Ich wischte die Tränen weg.
    »That’s a good girl! Es fehlte wenig, und Sie hätten

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