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Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Titel: Das Ministerium der Schmerzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dubravka Ugresic
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»Schloss zwischen Himmel und Erde«, schauten hinab und rätselten, wo sie eines Tages Fuß fassen würden. Auch ich saß in so einem »Schloss«, weder hier noch dort. Im Unterschied zu ihnen schaute ich aber nicht hinab, weil mir davon schwindlig wird.

7.
    Ich konnte mir nicht erklären, woher der Schwindel kam. Manchmal stand ich mitten auf der Straße und wusste nicht mehr, wohin ich wollte. Ich war einfach von der kindlichen Angst erfasst, ich wäre, falls ich mich rührte, raus aus dem Spiel.
Eene meene Maus, rührst du dich, dann bist du raus …
Vielleicht war ich deshalb so verwirrt, weil es wirklich egal war, wohin ich ging, weil ich nur rein zufällig in dieser Stadt lebte, weil ich genauso gut auf der Straße einer anderen Stadt hätte stehen bleiben können, weil alles sowieso nur Zufall war. Viele von uns fanden sich in Städten wieder, die ihnen nicht einmal im Traum eingefallen wären. Alles war über Nacht geschehen, als hätten wir uns in einem Leben schlafen gelegt und wären in einem anderen aufgewacht.

    Manchmal weckte mich ein Schmerz. Ein starker, dumpfer, verheerender Schmerz, so etwas wie ein Schmerz ohne Schmerz. Dann stand ich auf, ging ins Bad, knipste das Licht an, füllte ein Glas mit Leitungswasser und trank es langsam, in kleinen Schlucken aus, als löschte ich einen uralten Durst. Die Stirn an den Spiegel gelehnt, sah ich zu, wie mein Atem sich als feiner Nebel auf der glatten Fläche niederschlug.

    Du, meine Rana, du, meine Seele. Meine Rana, der Herbst ist da. Ach, meine Rana. Meine Rana, meine schmerzerfüllte Rana.
Rana, das ist für meine Landsleute eine nahe stehende Person, der Sohn, die Tochter, die Liebste, der Liebste. Rana ist die Liebe, Liebe ist der Schmerz.
Meine Rana, meine Sehnsucht
, grölt ein Landsmann in Turbofolk-Manier. Seine billige Kassette sahen Goran und ich bei einem Straßenverkäufer in Berlin. Ich glaube, Goran kaufte sie sogar.
Meine Rana, meine Sehnsucht … Siehst du
, sagte Goran lachend,
die Rana ist jetzt unser Exportartikel
.

    Deutschland, du unbekanntes Land, du fremdes Leben, dir habe ich meinen Bruder und meinen Schatz gegeben
, schluchzen und wehklagen seit Jahrzehnten meine Landsleute: Arbeitssuchende in der Fremde, Asylanten, Emigranten, Exilanten, Migranten, Gastarbeiter, Abenteurer, verkommene Subjekte, Kriminelle, Kriegsflüchtlinge. Australien, du unbekanntes Land … Amerika, du unbekanntes Land … Kanada, du unbekanntes Land … Nie konnte ich den touristischen, politpropagandistischen und musikalischen Videospots etwas abgewinnen, in denen sich heimgekehrte Landsleute wie in einer billigen patriotisch-nostalgischen Pantomime bemühen, die große Anziehungskraft der Heimat zu preisen. Diese dunkelhaarigen, schnurrbärtigen Kerle mit Aktenköfferchen in der Hand und goldenen Ketten um den Hals (mit einem Kreuz, das sich in den Haaren auf ihrer Brust verfängt) kraxeln über die heimatlichen Berge auf dem Weg zu ihrem Dorf, wo an rußigen Feuerstellen ungepflegte, schwarz gekleidete Greisinnen auf sie warten.
Heimaaat, du mein Mütterleieieiein
, grölen meine musikalischen Landsleute. Von dem Dorf aus bietet sich ihnen eine herrliche Aussicht – gewöhnlich das Einzige, was sie haben. Vielleicht sind alle Emigranten eine Art Schauspieler, dazu verurteilt, in einer »Seifenoper« aufzutreten, die Jahrzehnte dauert und nicht zu Ende gehen will. Möglicherweiseerlaubt das Exil ihnen nicht, die Handlung, die Gefühle, den Ton zu verändern.

    Erfasst mich mal die Exilantenschlaflosigkeit, zermartere ich mir das Hirn mit Fragen, was wäre, wenn. Dann denke ich an Menschen, die ich kenne, mische sie wie Spielkarten, nebenbei eine kuschelige Ecke für mich suchend. Ich stelle mir Goran vor, das Gesicht zwischen den Schulterblättern der Japanerin. Sie schlafen ordentlich, wie Löffelchen. Die Japanerin wird von Gorans Stöhnen wach.
Tut dir etwas weh?
, fragt sie. Das Stöhnen hört auf. Goran atmet ruhig, und die Japanerin kehrt in ihre Stellung zurück. Manchmal stelle ich mir Olga vor, die sich in der Küche ein Glas Milch holt, einen Keks aus der Dose mit der Aufschrift
Danish Cookies
nimmt, kurz überlegt und sich noch zwei nimmt. Und dann noch einen. Die Kekse lassen sich nicht gut in die Milch tunken, Olga taucht sie mit dem Zeigefinger unter und isst sie mit einem Löffel. Der süße Brei beruhigt sie.
Ich weiß nicht, was mit mir los ist, ich esse immer mehr, vor allem nachts
, klagt sie. Ich stelle mir Gorans Vater vor, den

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