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Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Titel: Das Ministerium der Schmerzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dubravka Ugresic
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darüber.
    »Ach,
drugarica
, Sie haben eine Neunzehntes-Jahrhundert-Hand …«
    »Eine was?«
    »Solche Hände werden in den Romanen aus dem neunzehnten Jahrhundert beschrieben. Kleine, weiße Händchen …«
    Er drehte und wendete meine Hand in der seinen wie einen Handschuh.
    »Sie kauen an den Nägeln. Wie ein kleines Mädchen … Jetzt könnten Sie Ihren Schüler doch ruhig ein bisschen streicheln«, sagte er und legte plötzlich seinen Kopf in meinen Schoß.
    Ich war gespannt wie ein Bogen. Mit der freien Hand streichelte ich ihm über das Haar. Igor hielt in meinem Schoß ganz still. Dann hob er den Kopf, nahm meine Hand, strich mit der Zunge über die Handfläche und machte mit dem zweiten Paar Handschellen mein Handgelenk an der anderen Armlehne fest.
    »Nun gehören Sie mir, nur mir«, sagte er verführerisch.
    »Hören Sie auf mit diesem dummen Spiel«, sagte ich errötend.
    »Sie hoffen immer noch, es ist ein Spiel?«, sagte er ironisch.
    »Lassen Sie doch die Mätzchen, Igor. Wenn Sie meinen, dadurch zu Ihrem Recht zu kommen …«
    »Aber welches Recht! Sie haben wirklich keine Phantasie,
drugarica
. Das Recht interessiert mich nicht.«
    »Ich habe Ihnen eine schlechte Note gegeben, weil ich überzeugt bin, dass Sie mich bei Cees Draaisma verpetzt haben«, log ich.
    »Ich?!«
    »Nach dem ersten Semester hat einer von euch sich bei Cees beschwert, wir hätten im Unterricht nichts durchgenommen, ihr hättet mit mir nur Zeit vergeudet, ich hätte euch gezwungen, mit mir in Cafés herumzusitzen.«
    »Don’t tell me?«, sagte er spöttisch. Er schien nicht im Geringsten überrascht zu sein.
    »Cees hat es mir gesagt.«
    »Und Sie glauben im Ernst, ich sei es gewesen?«
    »Einer von euch! Sie oder jemand anders.«
    »So what?«
    »Wieso so what? Ihr habt mich hintergangen, ihr habt mich verraten, ihr hattet nicht den Mut, mir offen zu sagen, was euch nicht passte, lieber seid ihr zu Cees gelaufen, um mich anzuschwärzen …«
    »Und deshalb beschlossen Sie, Rache an uns zu üben?«
    »Nein. Ich habe meine Arbeit getan.«
    »Und was, wenn niemand sich beschwert hat? Wenn Draaisma das Ganze erfunden hat?«
    »Warum sollte er lügen?«
    »Um ein Spielchen mit Ihnen zu treiben, um Ihnen zu zeigen, wie leicht es ist, Sie und uns alle zu manipulieren.«
    »Nein, dazu klang er zu glaubwürdig. Er schien einen vollständigen Bericht über jede einzelne unserer Stunden bekommen zu haben.«
    »Meine liebe
drugarica
, das Problem liegt nicht in Cees, auch nicht in uns, sondern in Ihnen. Sie konnten es kaum erwarten, ihm auf den Leim zu gehen. Sie hätten das überhören und vergessen können. Selbst wenn wir Sie angezeigt hätten, hätten Sie souverän darüber hinwegsehen können. Uns verzeihen können. Mit uns Mitleid haben können, denn wir sind
Unsrige
, wir sind Arschlöcher. Sie hätten mit uns darüber reden können. Wie Sie sehen, es gab eine große Auswahl möglicher Reaktionen. Aber Sie haben sich entschieden, einen little angry war gegen Ihre Studenten zu führen.«
    »Was für einen Krieg, ich verstehe nicht, wovon Sie sprechen?«
    »Okay, then … Warum haben Sie mir ein ›ungenügend‹ gegeben?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. Es war die ehrlichste Antwort, die ich ihm geben konnte.
    »Das wissen Sie, fucking-bitch-
drugarica
, nur allzu gut, Sie wollen es bloß nicht zugeben«, sagte er ruhig und streifte leicht mein Knie.
    »Wie reden Sie überhaupt mit mir! Öffnen Sie sofort diese Handschellen, sonst rufe ich die Polizei!«
    »
Drugarica
, Sie sind wirklich pathetic.«
    »Wieso?«
    »Wetten, dass Sie nicht einmal die Rufnummer der Polizei kennen!«
    Er hatte Recht. Ich kannte sie nicht.
    »Was wollen Sie eigentlich von mir?«
    »Sie reden so, als läsen Sie die Dialogliste eines zweitrangigen Films runter,
drugarica
. Was ich will? Keine Ahnung. So wie Sie nicht wissen, warum Sie mir ein ›ungenügend‹ gegeben haben, so weiß ich nicht, was ich will. Eigentlich möchte ich Sie ein wenig antippen, um zu hören, wie Sie klingen, wenn Sie um Hilfe rufen, ich möchte Ihren echten Ton hören, das will ich.«
    »Was für einen Ton?«
    »Sie haben Schiss,
drugarica
, ich lese in Ihnen wie in einem offenen Buch, und dennoch hindert Sie etwas, die Maske der Lehrerin abzulegen. Als befänden wir uns in einem fucking Kurs der fucking Territorialverteidigung.«
    »Genug jetzt! Gleich schreie ich«, sagte ich und spürte, wie ich in der eigenen Dummheit versank.
    »Wenn Sie schreien, klebe ich Ihnen

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