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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Lätitia, der gerade ein höchst interessantes Schlupfwort entfuhr, das Tiffany sich erst einmal in Gedanken zurücklegte, um es später genauer zu betrachten.
    »Wie auch immer. Es steht jedenfalls fest, dass Hexen auf Schritt und Tritt Unruhe stiften«, sagte die Herzogin. »Und deshalb bleibst du hier bis auf Weiteres in Gewahrsam, obwohl du, wenn es nach mir ginge, noch etwas ganz anderes verdient hättest.«
    »Und was wollen Sie meinem Vater sagen, Hochwohlgeboren? «, säuselte Tiffany.
    Er sah aus, als hätte sie ihm einen Schlag in die Magengrube verpasst, ein kleiner Vorgeschmack auf das, was ihn vermutlich erwartete, sobald Herr Weh von dieser Sache Wind bekam. Er würde so viele Wachen brauchen, wie er nur kriegen konnte, wenn Tiffanys Vater erfuhr, dass seine jüngste Tochter zusammen mit Ziegen eingekerkert war.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte Tiffany. »Erzählen Sie ihm doch einfach, dass ich etwas länger auf der Burg bleibe, weil ich noch einige wichtige Angelegenheiten zu erledigen habe. Der Feldwebel kann meinem Vater diese Nachricht sicher überbringen, ohne ihn unnötig zu beunruhigen? « Den letzten Satz hatte sie als Frage formuliert, doch während Roland schon mit dem Kopf nickte, konnte die Herzogin erneut nicht an sich halten.
    »Dein Vater ist der Lehensmann des Barons und hat zu tun, was man von ihm verlangt!«
    Roland wand sich vor Verlegenheit. Herr Weh und der alte Baron hatten sich als Männer von Welt auf ein vernünftiges Übereinkommen verständigt, welches so aussah, dass Herr Weh alles tat, was der Baron von ihm verlangte. Vorausgesetzt, der Baron verlangte nur das von ihm, was unbedingt getan werden musste und was Herr Weh auch tun wollte .
    So etwas nennt man Loyalität , hatte Tiffanys Vater ihr eines Tages erklärt. Es bedeutete, dass die unterschiedlichsten Menschen gut zusammenarbeiten konnten, solange beide Seiten verstanden, dass auch die kleinen Leute nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte hatten – und Würde. Ihre Würde war den Leuten umso wichtiger, weil sie, abgesehen von Bettzeug, Töpfen und Pfannen, Werkzeug und Besteck, so ziemlich das Einzige war, was sie überhaupt besaßen. Über diese Abmachung brauchte man nicht viele Worte zu verlieren, weil jeder vernünftige Mensch wusste, wie sie funktionierte: Sei du ein guter Herr, dann bin ich ein guter Knecht. Ich halte dir die Treue, wenn du mir die Treue hältst, und solange dieser Kreislauf sich ungestört vollzieht, geht alles so weiter, wie es immer war.
    Roland war gerade auf dem besten Weg, den Kreislauf zu unterbrechen. Zumindest hinderte er die Herzogin nicht daran, ihn ins Stocken zu bringen. Seine Familie regierte seit einigen hundert Jahren im Kreideland und konnte ihren Herrschaftsanspruch urkundlich belegen. Im Gegensatz dazu gab es keinerlei Aufzeichnungen darüber, wann der oder die erste Weh das Kreideland betreten hatte; damals war Papier noch nicht einmal erfunden worden.
    Zwar erfreuten Hexen sich momentan nicht der größten Beliebtheit im Land – die Leute waren aufgewühlt und verwirrt – , trotzdem war das Letzte, was Roland gebrauchen konnte, eine Konfrontation mit Herrn Weh. Obwohl er schon die ersten grauen Haare auf dem Kopf hatte, konnte Herr Weh so stur sein wie ein junger Bock. Ich muss auf jeden Fall hierbleiben, dachte Tiffany. Ich habe gerade einen losen Faden gefunden. Und was macht man damit? Man zieht daran. Laut sagte sie: »Ich bleibe gern noch ein bisschen. Wir wollen doch alle keinen Ärger.«
    Roland machte ein erleichtertes Gesicht, aber die Herzogin fuhr zum Feldwebel herum und fragte: »Und sie kann das Verlies ganz bestimmt nicht verlassen?«
    Brian drückte die Brust noch ein bisschen weiter raus, sodass nicht mehr viel fehlte, und er hätte ausgesehen wie ein Flitzebogen. »Jawohl, gnä – Durchlaucht, es gibt für jede Tür nur einen Schlüssel, und die habe ich beide an mich genommen. « Er klopfte auf seine rechte Tasche. Das Klirren schien die Herzogin zufriedenzustellen, denn sie sagte: »Dann können wir heute Nacht wohl alle etwas unbesorgter in unseren Betten schlafen, Feldwebel. Komm, Roland, und achte ein bisschen auf Lätitia. Ich fürchte, sie braucht wieder ihre Medizin. Gott weiß, was diese schreckliche Person zu ihr gesagt hat.«
    Tiffany sah ihnen nach. Nur der Feldwebel blieb zurück, dem man immerhin zugutehalten konnte, dass ihm die ganze Geschichte ehrlich peinlich war. »Würdest du mal kurz zu mir rüberkommen,

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