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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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machbar.
    »Heckenhexen?« Frau Prust rümpfte die Nase. »Auch wenn gegen Heckenmagie im Grunde nichts auszusetzen ist«, fuhr sie fort. »Ich kannte mal eine Kollegin, die brauchte bloß mit den Händen über eine Ligusterhecke zu fahren, und keine drei Monate später hatte sich das Grünzeug zu zwei Pfauen und einem scheußlich putzigen Hündchen mitsamt Ligusterknochen im Maul ausgewachsen. Und das alles ganz ohne Heckenschere, versteht sich.«
    »Wie ist sie denn auf die Idee gekommen?«, fragte Tiffany erstaunt.
    »Ich glaube kaum, dass sie von selbst darauf gekommen ist. Irgendjemand wird ihr ein Angebot gemacht haben, das sie nicht ausschlagen konnte, und streng genommen, ist die Formschnittgärtnerei ja auch nicht strafbar. Obwohl ich mir bei der einen oder anderen Ligusterschnipplerin gut vorstellen kann, dass sie, wenn die Revolution kommt, als eine der ersten an die Hecke gestellt wird. Heckenhexen – so heißt ihr Landhexen bei uns in der Stadt.«
    »Ach, wirklich?«, sagte Tiffany mit Unschuldsmiene. »Ich weiß gar nicht, ob wir hier draußen für euch Stadthexen auch einen Namen haben. Wenn ja, kann Frau Wetterwachs Ihnen den mit Sicherheit verraten.« Eigentlich hätte sie wegen des kleinen Streichs, den sie sich mit ihr erlaubte, Gewissensbisse haben müssen, aber es war eine lange Woche gewesen und heute ein langer Tag. Und durfte eine Hexe im Leben nicht auch mal ein bisschen Spaß haben?
    Auf dem Weg nach unten kamen sie an Lätitias Zimmer vorbei. Stimmen und Gelächter drangen heraus. Das schallende, schulterklopfende Lachen gehörte unverkennbar Nanny Ogg. Tiffany hörte Lätitia fragen: »Und das soll tatsächlich funktionieren!?« Nannys Antwort konnte sie zwar nicht verstehen, aber sie löste bei Lätitia einen Lachkrampf aus. Tiffany schmunzelte. Die holde Braut und die Frau, die vermutlich nicht einmal wusste, wie man hold buchstabierte, schienen prächtig miteinander auszukommen. Wenigstens brach Lätitia nicht alle paar Minuten in Tränen aus.
    Tiffany führte Frau Prust in den Rittersaal. Es war schon erstaunlich, dass die Menschen zum Glücklichsein eigentlich nichts weiter brauchten als Essen, Trinken und andere Menschen. Mittlerweile benötigten sie nicht einmal mehr die Mithilfe von Nanny Ogg, um einfach sie selbst zu sein. An einer Stelle, von der aus sie fast den gesamten Raum überblicken konnte, stand Oma Wetterwachs und unterhielt sich mit Pastor Ei.
    Tiffany gesellte sich unauffällig dazu. Sie merkte dem Geistlichen an, dass ihm eine Gesprächsunterbrechung durchaus nicht ungelegen käme. Beim Thema Religion machte Oma Wetterwachs aus ihrem Herzen nämlich keine Mördergrube. Der Pastor sah sogar richtig erleichtert aus, als Tiffany sagte: »Frau Wetterwachs, darf ich Sie mit Frau Prust bekanntmachen? Sie kommt aus Ankh-Morpork und betreibt ein höchst interessantes Gewerbe.« Sie wandte sich Frau Prust zu, schluckte einmal und sagte: »Darf ich vorstellen? Oma Wetterwachs.«
    Sie trat einen Schritt zurück, während die alten Hexen einander musterten, und hielt den Atem an. Lautlose Stille verbreitete sich im Saal, keine der beiden Frauen verzog eine Miene. Und dann – das war doch nicht möglich! – zwinkerte Oma Wetterwachs, und Frau Prust lächelte.
    »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte Oma.
    »Wie schön, Sie kennenzulernen«, sagte Frau Prust.
    Sie tauschten noch einen Blick und fassten dann gemeinsam Tiffany Weh ins Auge, die schlagartig begriff, dass alte, kluge Hexen schon sehr viel länger älter und klüger waren als sie.
    Oma Wetterwachs hätte fast gelacht, als Frau Prust sagte: »Wir müssen uns nicht beim Namen kennen, um zu wissen, mit wem wir es zu tun haben. Aber dürfte ich vorschlagen, junge Dame, dass du mal wieder Luft holst?«
    Oma Wetterwachs hakte sich mit leichter Hand bei Frau Prust unter, wandte sich mit ihr der Treppe zu, auf der gerade Nanny Ogg herunterkam, gefolgt von Lätitia, die an Stellen errötet war, wo normalerweise kein Mensch errötet, und sagte: »Kommen Sie, meine Beste. Sie müssen meine Freundin Frau Ogg kennenlernen, eine dankbare Abnehmerin Ihrer Produkte.«
    Tiffany schlenderte weiter. Einen kurzen Augenblick lang gab es nichts für sie zu tun. Überall im Saal fanden sich die Menschen noch immer zu kleinen Grüppchen zusammen. Nur die Herzogin hielt sich abseits. Tiffany wusste selbst nicht, was über sie kam. Wieso ging sie hinüber zu dieser Frau? Weil es vielleicht ganz gut war, ein bisschen in Übung zu

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