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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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kommen, bevor man einem noch schrecklicheren Monstrum gegenübertreten musste? Doch dann konnte sie kaum glauben, was sie sah: Die Herzogin weinte.
    »Kann ich irgendwie helfen?«, fragte Tiffany.
    Die Herzogin schoss einen finsteren Blick auf sie ab, ohne dass ihre Tränen versiegten. »Sie ist mein Ein und Alles«, sagte sie, den Blick auf Lätitia geheftet, die Nanny Ogg beharrlich an den Fersen klebte. »Roland wird ihr gewiss ein fürsorglicher Ehemann sein. Hoffentlich kann sie erkennen, dass ich ihr die Grundlagen vermittelt habe, die sie braucht, um heil durchs Leben zu kommen.«
    »Sie hat sicher viel von Ihnen gelernt«, antwortete Tiffany.
    Doch die Herzogin starrte nun die Hexen an und sagte, ohne Tiffany anzusehen: »Bei allen Differenzen, die wir gehabt haben, könntest du mir vielleicht trotzdem sagen, wer die Dame dahinten ist? Die eine von deinen Hexenschwestern, die sich gerade mit ihrer erstaunlich groß geratenen Kollegin unterhält.«
    Tiffany blickte hinüber. »Ach, das ist Frau Prust. Sie kommt aus Ankh-Morpork. Ist sie eine alte Bekannte von Ihnen? Sie hat sich vorhin nach Ihnen erkundigt.«
    Die Herzogin lächelte ein sonderbares kleines Lächeln. Wenn ein Lächeln eine Farbe hätte, wäre dieses grün gewesen. »Ach«, sagte sie. »Das war aber, äh …« Sie taumelte leicht. »… sehr nett von ihr.« Sie hüstelte. »Ich bin übrigens sehr froh, dass du dich mit meiner Tochter so gut verstehst, und möchte dich für mein unbedachtes Verhalten in den letzten Tagen um Verzeihung bitten. Außerdem möchte ich mich in aller Form bei dir und den schwer arbeitenden Dienstboten der Burg für mein möglicherweise etwas arrogant wirkendes Auftreten entschuldigen. Vielleicht kannst du mir zugutehalten, dass es lediglich der Entschlossenheit einer Mutter zu schulden ist, die nur das Allerbeste für ihr Kind will.« Sie wählte ihre Worte mit Bedacht. Wie bunte Bauklötze purzelten sie ihr über die Lippen, und dazwischen klebten – wie Mörtel – die unausgesprochenen Worte: Bitte, bitte, sag niemandem, dass ich Varieteetänzerin war. Bitte!
    »Wir sind zurzeit wohl alle ein wenig überdreht«, antwortete Tiffany. »Breiten wir den Mantel des Schweigens darüber.«
    »Wenn ich doch bloß auch geschwiegen hätte«, sagte die Herzogin, die ein großes, fast leeres Weinglas in der Hand hielt. Sie betrachtete Tiffany nachdenklich. »Eine Hochzeit so kurz nach einer Beerdigung. Gehört sich das?«
    »Manche Leute glauben, dass es Unglück bringt, eine bereits fest angesetzte Hochzeit zu verschieben«, antwortete Tiffany.
    »Glaubst du an so etwas? An Glück und Unglück?«, fragte die Herzogin.
    »Ich glaube daran, dass es ein Unglück ist, sich auf sein Glück zu verlassen. Aber eines kann ich Ihnen versichern, Durchlaucht. Zu solchen Anlässen rückt uns das Universum ein Stückchen näher. Es sind seltsame Zeiten, Zeiten des Anfangs und des Endes. Gefährlich und voller Magie. Und das spüren wir, selbst wenn wir nicht wissen, was es bedeutet. Solche Zeiten müssen nicht gut und sie müssen auch nicht schlecht sein. Wie sie geraten, hängt ganz davon ab, wie wir sind.«
    Die Herzogin blickte in ihr mittlerweile leeres Glas. »Mir scheint, ich sollte mich ein Minütchen hinlegen.« Sie drehte sich um und hielt leicht schwankend auf die Treppe zu.
    Am anderen Ende des Rittersaals erscholl lautes Gelächter. Tiffany, die hinter der Herzogin herging, blieb bei Lätitia stehen und tippte ihr auf die Schulter.
    »An deiner Stelle würde ich mal mit deiner Mutter reden, bevor sie nach oben geht. Ich glaube, sie möchte jetzt gern mit dir sprechen.« Sie beugte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: »Aber verrate ihr nicht zu viel von dem, was Nanny Ogg dir erzählt hat.«
    Lätitia sah aus, als wollte sie ihr widersprechen, aber ein Blick in Tiffanys Miene genügte, und sie überlegte es sich anders. Sie fing ihre Mutter vor der Treppe ab.
    Und dann stand plötzlich Oma Wetterwachs neben Tiffany. Nach einer Weile sagte sie wie zu sich selbst: »Hast ein gutes Revier hier. Nette Leute. Aber damit du eins weißt: Er ist ganz in der Nähe.«
    Unterdessen hatten sich die anderen Hexen – sogar die Lange-dünne-kurze-dicke-Sally – hinter Oma Wetterwachs aufgestellt. Aller Augen waren auf Tiffany geheftet. Wenn man von vielen Hexen angestarrt wird, kann man es regelrecht fühlen, wie die Sonne. »Sie wollen mir etwas sagen, nicht wahr?«, fragte Tiffany.
    Das gab es nicht oft, beziehungsweise nie –

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