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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Wort. »Sie ist gestorben, ganz friedlich eingeschlafen. An sich keine besonders schlimme Sache. Ihr Lebenslicht ist einfach erloschen. Aber sie lag zwei Monate in ihrem Bett, bevor irgendjemand etwas gemerkt hat. Die Leute aus Schnitte sind ein bisschen sonderbar. Das Schlimmste allerdings war, dass ihre Katzen nicht aus dem Haus konnten und angefangen haben, sie aufzufressen. Was der alten Frau vermutlich nicht einmal etwas ausgemacht hätte, so wie sie in ihre Katzen vernarrt war. Aber eine von ihnen hat dort Junge bekommen. Im Bett. Es war gar nicht leicht, ein neues Heim für sie zu finden. Dabei waren es reizende Kätzchen mit wunderschönen blauen Augen.«
    »Äh«, krächzte ihr Vater. »Wenn du sagst ›im Bett‹, heißt das …?«
    »In demselben Bett, in dem die alte Frau lag? Ja. Ich hatte schon öfter mit Toten zu tun. Beim ersten Mal wird einem noch übel, aber dann erkennt man, dass der Tod nur, na ja, Teil des Lebens ist. Wenn man ihn als einen Punkt auf einer langen Liste von Aufgaben sieht, die Schritt für Schritt abgearbeitet werden müssen, wird man leichter damit fertig. Manchmal kommen einem auch die Tränen, aber die gehören eben mit dazu.«
    »Hat dir denn keiner geholfen?«
    »Doch, doch. Ich habe ein paar Nachbarinnen zusammengetrommelt, die mir zur Hand gegangen sind, aber im Grunde hatte keiner etwas mit der alten Frau zu tun. So etwas kommt vor, dass jemand durch das Netz fällt.« Sie hielt inne. »Sag mal, Papa. Unsere alte Scheune steht doch immer noch leer, oder? Wäre es möglich, dass du sie für mich ausräumen und auf Vordermann bringen lässt?«
    »Sicher«, antwortete ihr Vater. »Aber dürfte ich vielleicht fragen, wozu du sie brauchst?«
    Wie höflich er sprach. Jetzt redete er mit der Hexe. »Mir schwebt da etwas vor«, sagte sie. »Und ich habe das Gefühl, dass ich die Scheune dafür gut gebrauchen kann. Bis jetzt ist es nur so eine vage Idee, aber es schadet ja trotzdem nicht, da drinnen mal auszumisten.«
    »Gut, gut. Auf jeden Fall bin ich mächtig stolz auf dich, wenn ich sehe, wie du auf deinem Besen durch die Gegend zischst. So was nenne ich richtige Magie.«
    Alle Menschen wollen an Magie glauben können, dachte Tiffany. Was sollte man ihnen darauf antworten? Ätsch, reingefallen? Oder: Ja, es gibt sie, aber nicht so, wie du meinst? Jeder wünscht sich, wir könnten die Welt mit einem Fingerschnippen verändern. »Die Besen werden von den Zwergen gemacht«, sagte sie. »Ich habe keinen Schimmer, wie sie funktionieren. Nicht runterzufallen, das ist die Kunst.«
    Die Katzenmusik war abgezogen. Zum einen, weil sie hier nichts ausrichten konnte, und zum anderen aber wohl auch, weil die Musikanten vor der Sperrstunde wieder im Wirtshaus eintreffen wollten, um sich noch ein letztes Bier zu genehmigen.
    Herr Weh stand auf. »Dann wollen wir das Mädel mal mit nach Hause nehmen.«
    »Die junge Frau«, verbesserte ihn Tiffany, die sich über Amber beugte.
    »Was?«
    »Die junge Frau«, wiederholte sie. »Das zumindest sind wir ihr schuldig. Aber ich glaube, vorher bringe ich sie lieber noch woandershin. Sie braucht mehr Hilfe, als ich ihr geben kann. Könntest du bitte irgendwo einen Strick auftreiben? Ich habe natürlich den Ledergurt am Besen, aber doppelt hält besser.« Auf dem Heuboden raschelte es. Tiffany schmunzelte – auf manche Freunde war wirklich Verlass.
    Herr Weh machte ein erschrockenes Gesicht. »Du willst sie wegbringen?«
    »Es ist nicht weit. Aber es muss sein. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Mama soll ihr ruhig schon mal ein Bett herrichten. Wir bleiben nicht lange weg.«
    Ihr Vater senkte die Stimme. »Sind die das, da oben? Laufen sie dir immer noch nach?«
    »Angeblich nicht«, sagte Tiffany. »Das behaupten sie zumindest. Aber du kennst ja die Wir-sind-die-Größten: eine große Bande von kleinen Lügnern.«
    Wenn es nicht so ein langer, harter Tag gewesen wäre, hätte sie sich niemals zu einer derart unfairen Bemerkung hinreißen lassen. Umso sonderbarer war es, dass sich im Heu gar kein Widerspruch regte. Zu ihrer Überraschung störte sie der Mangel an Kobolden auf einmal fast ebenso wie sonst ihr geballtes Auftreten.
    Doch da ertönte auch schon ein kleines Stimmchen: »Ha, ha, ha, diesmal hatse uns nich erwischt, was, Jungs? Wir warn mucksmäuschenstill! Die große kleine Hexe hat überhaupt nix von uns mitgekriegt. Jungs? Jungs?«
    »Doofer Wullie, du hast nich mal genug Grütze im Kopf, um dir die Nase zu putzen«, antwortete eine

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