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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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durch das Loch in die Höhle gerutscht war, stapfte Tiffany ungeduldig vor dem Brombeerdickicht auf und ab, bis die Dornen endlich wie von Zauberhand zur Seite glitten.
    Jeannie, die fast so rund war wie ein Fußball und unter jedem Arm einen Säugling klemmen hatte, erwartete sie bereits.
    »Wie ich mich freue, dich zu sehen, Tiffany«, sagte sie, was merkwürdig unangemessen klang. »Ich habe die Jungs nach draußen geschickt, damit sie ein bisschen Dampf ablassen können«, fuhr sie fort. »Das hier ist eine Frauensache und eine besonders unschöne noch dazu. Das Kind liegt auf einem Plätzchen am Feuer, und ich habe auch schon mit dem Seelentrost angefangen. Ich denke, sie kommt darüber hinweg. Du hast heute Nacht alles richtig gemacht. Davon hätte sich sogar deine berühmte Frau Wetterwachs eine Scheibe abschneiden können.«
    »Sie hat mir beigebracht, wie man Schmerzen wegnimmt«, sagte Tiffany.
    »Ach ja?« Die Kelda musterte Tiffany mit einem seltsamen Blick. »Hoffentlich musst du es nicht eines Tages bereuen, dass sie dir diesen… Gefallen getan hat.«
    Eine Handvoll Größte quoll aus dem Tunnel, der in die Haupthöhle führte. Sie blickten nervös zwischen ihrer Kelda und ihrer Hexe hin und her, bis sich einer von ihnen widerwillig zum Wortführer aufschwang: »Nich, dass wir störn wollen, meine Damen, aber wir brutzeln uns grade ‘n bisschen was zusammen, und Rob lässt fragen, ob die große kleine Hexe vielleicht nen Happen abhaben will?«
    Tiffany schnupperte. Ihr stieg ein unverkennbarer Duft in die Nase: das Aroma von Hammel in Bratpfanne. Ganz schön dreist, dachte sie. Ausgerechnet mir ein gestohlenes Schaf vorsetzen zu wollen!
    Dieselbe Erkenntnis war dem Wortführer offensichtlich auch gekommen, denn er wrang den Saum seines Kilts mit beiden Händen, so wie es die Größten immer taten, wenn sie gerade dabei waren, eine faust-, wenn nicht gar kindskopfgroße Lüge von sich zu geben, und fügte hinzu: »Es scheint wohl so zu sein, dass ‘n Stück Schaf aus Versehen inner heißen Pfanne gelandet is, und wir ham noch versucht, es wieder rauszuziehen, aber… na ja, du weißt ja, wie Schafe so sind. Es is in Panik geraten und hat sich gewehrt. « Nachdem er sich eine so hübsche Ausrede zurechtgezimmert hatte, gingen vor lauter Erleichterung die Pferde vollends mit ihm durch, und er setzte zu einem noch kühneren literarischen Höhenflug an: »Ich schätze mal, es wollte Selbstmord begehen. Was is das denn auch fürn Leben, den ganzen Tag immer bloß Gras fressen?«
    Während er Tiffany noch gespannt anblickte, um zu sehen, ob sie ihm seine Erklärung abkaufte, machte die Kelda kurzen Prozess: »Kleiner-Honigmaul-Jock, geh und bestell den anderen, dass die große kleine Hexe ein Hammelfleischbrot haben möchte, ja?« Sie schaute zu Tiffany hoch und sagte: »Keine Widerrede, Kind. Du kannst dich doch vor Hunger kaum noch auf den Beinen halten. Ich kenne euch Hexen. An euch selbst denkt ihr immer zuletzt. Trollt euch, Jungs.«
    Tiffany spürte, dass eine eigentümliche Spannung in der Luft lag. Ernst und unverwandt ruhte Jeannies Blick auf ihr. Dann sagte die Kelda: »Kannst du dich noch an gestern erinnern? «
    Die Frage klang albern, aber Jeannie war niemals albern. Es lohnte sich also, darüber nachzudenken, obwohl Tiffany sich nichts sehnlicher wünschte als eine Scheibe Selbstmörderschaf und eine ordentliche Mütze voll Schlaf.
    »Gestern – beziehungsweise inzwischen schon vorgestern – musste ich nach Schnalle-mit-Ohne«, antwortete sie bedächtig. »Der Schmied hatte nicht aufgepasst, und ihm waren aus der Esse glühende Kohlen aufs Bein gefallen. Ich habe ihn verbunden, ihm die Schmerzen genommen und sie auf seinen Amboss übertragen. Dafür hat er mir vierundzwanzig Pfund Kartoffeln, drei gegerbte Hirschfelle, einen halben Eimer Nägel und ein altes Betttuch gegeben, das ich noch für Verbände gebrauchen kann. Außerdem ein kleines Glas Igelfett, das, auf einen warmen Brustwickel aufgetragen, wahre Wunder wirken soll. Die Frau des Schmieds schwört jedenfalls darauf. Außerdem hab ich mit der Familie noch einen großen Teller Eintopf gegessen. Und weil ich schon mal in der Nähe war, hab ich auch kurz in Schnalle-mit-Mit vorbeigeschaut, um mich um Herrn Gauers kleines Problem zu kümmern. Als ich ihm von dem Igelfett erzählt habe, meinte er, das wäre das ideale Hausmittel bei Beschwerden in den unteren Regionen, und hat das Glas gegen einen ganzen Schinken eingetauscht. Frau

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