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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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künstlicher Kotze, der letzte Schrei in der Unterhaltungsbranche. Was ja leider auch stimmt.
    Doch auch echte Hexen kamen nicht immer ohne die Waren dieses Hauses aus. Manchmal musste man tatsächlich wie eine Hexe aussehen , und nicht jede hatte ein Händchen dafür. Oder man war einfach zu beschäftigt, um sich eine Krähennestfrisur zu toupieren. Bei Boffo bekam man alles, was man an falschen Warzen, Perücken, bleischweren Kesseln und künstlichen Totenschädeln brauchte. Und mit ein bisschen Glück vielleicht auch die Adresse eines Zwerges, der einen Besen reparieren konnte.
    Begleitet von einem beeindruckend kehligen Furzen trat Tiffany ein. Sie schob sich an einem lächerlichen Plastikskelett mit rot glühenden Augen vorbei und hatte sich gerade bis zur Theke durchgekämpft, als ihr ein Luftrüssel ins Ohr quiekte. Kaum hatte sich das Ding wieder eingerollt, blickte sie in das Gesicht eines kleinen, besorgt dreinblickenden Mannes, der von ihr wissen wollte: »Fanden Sie das zufälligerweise auch nur ansatzweise witzig?«
    Sein Ton verriet, dass er fest mit einem Nein als Antwort rechnete, und Tiffany sah keinen Grund, ihn zu enttäuschen. »Überhaupt nicht«, antwortete sie.
    Seufzend legte er den unwitzigen Luftrüssel weg. »Ach, es ist doch immer dasselbe Lied«, sagte er. »Bestimmt mache ich irgendwo irgendwas falsch. Na egal. Was kann ich für Sie tun, junge … Oh – ah – Sie sind eine Echte, nicht wahr? Das erkenne ich doch sofort!«
    »Tja, also«, sagte Tiffany, »ich habe selbst noch nie etwas bei Ihnen bestellt, aber ich habe bei Fräulein Verrat gearbeitet, und die …«
    Doch der Mann hörte ihr überhaupt nicht zu. Er beugte sich über ein Loch im Fußboden und brüllte hinunter: »Mutter? Wir haben hier eine Echte!«
    Sekunden später sagte eine Stimme an Tiffanys Ohr: »Derek täuscht sich manchmal, und den Besen könntest du ja auch irgendwo gefunden haben. Du bist also eine Hexe, ja? Dann zeig es mir!«
    Tiffany machte sich unsichtbar. Sie tat es, ohne nachzudenken – beziehungsweise dachte sie so schnell nach, dass ihre Gedanken ihr im Vorbeirasen nicht einmal mehr zuwinken konnten. Erst als Derek, wie der Mann offenbar hieß, mit heruntergeklappter Kinnlade völlig verdattert ins Leere starrte, wurde ihr klar, warum sie so schnell verschwunden war – dieser Stimme nicht zu gehorchen wäre vermutlich äußerst unklug gewesen. Denn sie gehörte, so viel stand zweifelsfrei fest, einer Hexe, und noch dazu einer, die ihr Handwerk beherrschte.
    »Ausgezeichnet«, sagte die Stimme anerkennend. »Wirklich ganz ausgezeichnet, junge Dame. Auch wenn ich dich natürlich immer noch sehen kann, weil ich genau aufgepasst habe. Ja, ist das denn die Möglichkeit? Eine Echte!«
    »Ich drehe mich jetzt um«, sagte Tiffany warnend.
    »Tu dir keinen Zwang an, mein Kind.«
    Tiffany drehte sich um und sah – eine Hexe wie aus einem Alptraum: abgewetzter Hut, warzenübersäte Nase, klauenartige Hände, schwarze Zähne und – Tiffany blickte nach unten – ja, natürlich, schwere schwarze Stiefel. Man musste Boffos Katalog nicht in- und auswendig kennen, um zu sehen, dass die Frau das gesamte Sortiment der Kosmetikreihe »Hässliche Hexe im Handumdrehen« aufgelegt hatte (» Weil Sie es nicht wert sind «.)
    »Ich denke, wir sollten dieses Gespräch lieber in meiner Werkstatt fortsetzen«, sagte die Hexe und verschwand langsam in der Versenkung. »Stell dich einfach da auf die Platte im Boden, wenn sie wieder raufkommt, ja? Und du kochst uns ein Käffchen, Derek.«
    Nachdem Tiffany von der Hebevorrichtung wunderbar sanft im Keller abgesetzt worden war, fand sie sich in einem Raum wieder, der genauso aussah, wie man sich die Werkstatt einer Firma vorstellen würde, die sämtliches Zubehör herstellte, das sich eine Hexe nur wünschen konnte, wenn sie ihr Leben mit etwas Hokuspokus aufpeppen wollte. An einer Wäscheleine baumelten gruselige Hexenmasken, auf den Arbeitstischen standen leuchtend bunte Flaschen und Fläschchen, Warzen hingen zum Trocknen an diversen Ständern, und in einem großen (echten!) Kessel 20 neben dem Kamin blubb erten verschiedene Substanzen ominös vor sich hin.
    Die hässliche Hexe arbeitete an einer Werkbank, als plötzlich ein grässliches Kichern erklang. Sie drehte sich um, in der Hand ein quadratisches Holzkästchen, aus dem ein Faden heraushing. »Erstklassiges Gackern, findest du nicht? Ein einfacher Mechanismus aus Zwirn und Harz mit einem Resonanzboden: Das ständige böse

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