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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Stimmen der Größten hören konnte. Sie hockten hinten zwischen den Postsäcken und lasen einander die Briefe fremder Leute vor 19 . Tiffany konnte nur hoffen, dass sie alle wieder in die richtigen Umschläge stecken würden.
     
    Das Lied ging so: »Ankh-Morpork, du herrliche Stadt, die oben Trolle und unten Zwerge hat! Wer dein Wasser nicht trinkt, der wird auch nicht krank! Ankh-Morpork, du Perle am Ankh!«
    Was nun doch ein kleines bisschen übertrieben war.
    Tiffany war bisher erst einmal in der großen Stadt gewesen, und es hatte ihr dort überhaupt nicht gefallen. Ankh-Morpork stank. Es gab zu viele Leute und viel zu viele Straßen, und das einzige Grün, das man dort fand, schwamm auf dem Fluss und nannte sich Schlamm – aber nur deshalb, weil ein zutreffenderes Wort nicht druckreif gewesen wäre.
    Der Kutscher hielt vor einem der Haupttore an, obwohl es weit offen stand.
    »Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, Fräulein, dann nehmen Sie den Hut lieber ab und gehen zu Fuß weiter. Ihr Besen taugt sowieso nur noch als Brennholz.« Er grinste nervös. »Viel Glück.«
    »Herr Teppichleger«, sagte sie laut – trotz der vielen Menschen um sie herum. »Sollte Ihnen wieder einmal irgendwelches böses Gerede über Hexen zu Ohren kommen, werden Sie hoffentlich erwähnen, dass Sie eine Hexe kennengelernt haben, die Sie von Ihrem Rückenleiden befreit hat und der Sie es – wie ich hinzufügen könnte – zu verdanken haben, dass Sie noch in Lohn und Brot stehen. Vielen Dank fürs Mitnehmen.«
    »Ich werde den Leuten auf jeden Fall sagen, dass ich eine von den Guten kennengelernt habe«, antwortete er.
     
    Hoch erhobenen Hauptes – oder zumindest so hoch erhobenen Hauptes, wie es mit einem ramponierten Besen über der Schulter möglich ist – betrat Tiffany die Stadt. Der spitze Hut brachte ihr ein, zwei neugierige Blicke und vielleicht auch das eine oder andere Stirnrunzeln ein, doch darüber hinaus blieb sie so gut wie unbeachtet. Auf dem Land ist jeder, dem man begegnet, entweder ein Bekannter oder aber ein Fremder, für den man sich interessiert. Doch hier gab es so viele Menschen, dass es die reinste Zeitverschwendung gewesen wäre, einen Fremden auch nur anzusehen. Ganz zu schweigen davon, dass es unter Umständen sogar gefährlich werden konnte.
    Tiffany bückte sich. »Rob, du kennst doch Roland, den Sohn des Barons?«
    »Den abgeleckten Heringsschwanz? Och, doch«, antwortete Rob Irgendwer.
    »Lassen wir das mal dahingestellt sein«, sagte Tiffany. »Ihr seid doch so gut im Leuteaufspüren. Ich möchte, dass ihr jetzt loszieht und ihn für mich findet.«
    »Würd′s dich stör’n, wenn wir uns beim Suchen einen Klitzekleinen hinter die Binde kippen?«, fragte Rob Irgendwer. »Hier könnt man vor Durst glatt ertrinken. Ich kann mich nich erinnern, wann ich’s letzte Mal so nen Brand auf Branntwein hatte.«
    Da Tiffany wusste, dass es unklug gewesen wäre, mit Ja oder Nein zu antworten, entschied sie sich für: »Aber nur ein Gläschen. Und erst, wenn ihr ihn gefunden habt.«
    Sie hörte nur noch ein leises Huschen, und schon waren die Größten von der Bildfläche verschwunden. Wenigstens würde es nicht schwierig werden, sie wiederzufinden. Man musste bloß der Tonspur von splitterndem Glas folgen. Genauer, von Glas, das erst zersplitterte, und sich dann selbst reparierte. Noch so ein Rätsel: Bevor sie die Spiegelkugel wieder in die Kiste gelegt hatten, konnte Tiffany sie sehr sorgfältig untersuchen. Sie hatte nicht einmal einen Kratzer abbekommen.
    Tiffany sah zu den Türmen der Unsichtbaren Universität hoch, in der es von weisen Männern mit spitzen Hüten nur so wimmelte, oder zumindest von Männern mit spitzen Hüten. Doch es gab noch eine andere, in Hexenkreisen wohlbekannte Adresse, die auf ihre Weise ebenso magisch war: Boffos Scherzartikelladen, Zehntes-Ei-Straße 4. Sie war zwar noch nie dort gewesen, ließ sich aber hin und wieder einen Katalog zuschicken.
    Nachdem sie die belebten Hauptstraßen verlassen hatte und in das Gewirr kleiner Gassen eingetaucht war, zog sie deutlich mehr Blicke auf sich. Die Leute reagierten auf sie aber nicht aufgebracht oder unfreundlich. Sie waren nur … misstrauisch, als wüssten sie nicht so recht, was sie mit ihr anfangen sollten. Na, hoffentlich keinen Streit.
    Boffos Scherzartikelladen hatte keine Klingel: Er hatte ein Furzkissen. Für die meisten seiner Kunden war so ein Furzkissen, vielleicht noch gepaart mit einem ordentlichen Klacks

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