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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sein.«
    Tiffany hatte das Gefühl, dass es tatsächlich nicht schaden konnte, auf der Hut zu sein. »Frau Prust«, sagte sie vorsichtig. »Ich glaube, ich habe den Witz jetzt verstanden.«
    »Ja, mein Kind?«
    »Zuerst dachte ich, Sie wären eine echte Hexe, die sich als falsche Hexe verkleidet hat …«
    »Ja, mein Kind?«, sagte Frau Prust mit sirupsüßer Stimme.
    »Was ja an sich schon komisch genug wäre, aber ich denke, dahinter steckt noch ein anderer Witz, und der ist im Grunde gar nicht so lustig.«
    »Ach. Und was für ein Scherz könnte das sein, mein Kind?«, fragte Frau Prust in einem Ton, in dem überzuckerte Pfefferkuchenhäuser mitschwangen.
    Tiffany holte tief Luft. »Das ist Ihr eigenes Gesicht, nicht wahr? Die Masken, die Sie verkaufen, sind Masken von Ihnen!«
    »Gut erkannt! Gut erkannt, mein Kind. Aber eigentlich hast du es gar nicht erkannt , oder? Du hast es gefühlt, als du mir die Hand gegeben hast. Und … Aber jetzt komm, schaffen wir deinen Besen zu den Zwergen.«
    Sie hatten den Laden kaum verlassen, als Tiffany zwei Jungen bemerkte, von denen einer drauf und dran war, einen Stein ins Schaufenster zu werfen. Beim Anblick von Frau Prust hielt er inne. Eine gespannte Stille trat ein. Dann sagte die Hexe: »Nur zu, lass dich von uns nicht stören.«
    Er musterte sie, als wäre sie verrückt geworden.
    »Mach schon, mein Junge, wirf ruhig. Sonst passiert ein Unheil.«
    Damit stand für ihn zweifelsfrei fest, dass die Alte verrückt war. Er holte aus und schleuderte den Stein in das Fenster, beziehungsweise gegen das Fenster. Die Scheibe fing das Wurfgeschoss nämlich auf und schleuderte es postwendend wieder zurück. Der Junge ging zu Boden. Tiffany hatte es genau gesehen. Sie hatte genau gesehen, wie die Glashand aus der Scheibe kam und den Stein fing. Und auch, wie sie ihn zurückwarf. Frau Prust beugte sich über den Jungen, dessen Freund schon längst Fersengeld gegeben hatte, und sagte zu ihm: »Hmm, das heilt wieder. Aber nur, wenn du dich nie wieder hier blicken lässt.« Und an Tiffany gewandt: »Man hat es nicht immer leicht als Kleinunternehmer. Aber jetzt komm, hier entlang.«
    Tiffany, die nicht so recht wusste, wie sie das Gespräch fortsetzen sollte, entschied sich für eine harmlose Bemerkung wie: »Ich wusste gar nicht, dass in der Stadt auch echte Hexen leben.«
    »Doch, doch, ein paar von uns gibt es hier schon«, antwortete Frau Prust. »Wir machen unsere Arbeit, helfen den Menschen, wo wir können. Wie bei diesem Jüngelchen gerade, das heute gelernt hat, andere Leute in Frieden zu lassen. Es wird mir richtig froh ums Herz, wenn ich daran denke, dass ich ihm hoffentlich Respekt vor fremdem Eigentum eingeflößt und ihn vor einem Leben als Wandale bewahrt habe. Und somit auch – früher oder später – vor einer neuen Halskrause. Und zwar aus dem Hause Henker.«
    »Dass es hier überhaupt Hexen geben kann , wusste ich auch nicht«, sagte Tiffany. »Es heißt doch immer, man braucht gutes Gestein, damit eine Hexe darauf wachsen kann. Und von dieser Stadt erzählt man sich, dass sie auf Schleim und Schlamm erbaut ist.«
    »Und Mauerwerk«, antwortete Frau Prust vergnügt. »Granit und Marmor, Hornstein und verschiedene Sedimentablagerungen, meine liebe Tiffany. Felsgestein, das flüssig war und in Fontänen hochgeschossen kam, als die Welt im Feuer entstand. Und siehst du die Pflastersteine? Gewiss ist über jeden einzelnen von ihnen irgendwann einmal Blut geflossen. Wohin man sieht, Felsen und Steine! Und auch wohin man nicht sehen kann, ebenfalls Felsen und Steine! Kannst du dir vorstellen, wie es sich anfühlt, mit dem lebendigen Gestein förmlich verwachsen zu sein? Und was haben wir aus dem Gestein gemacht? Schlösser und Burgen, Mausoleen und Grabsteine, prächtige Häuser und Stadtmauern. Unglaublich! Aber nicht nur in dieser Stadt. Denn sie ist auf sich selbst erbaut, auf all den Städten, die vorher hier gestanden haben. Kannst du dir vorstellen, wie es sich anfühlt, auf einer alten Steinplatte zu liegen und zu spüren, wie dich das Gestein trägt, wie es dir Auftrieb gibt gegen den Sog der Welt? Und das alles steht mir zur freien Verfügung, jeder einzelne Stein. All das dient meiner Hexerei. Denn die Steine haben Leben in sich, und ich bin ein Teil davon.«
    »Ja«, sagte Tiffany. »Ich weiß.«
    Plötzlich war Frau Prusts Gesicht nur noch wenige Fingerbreit von ihrem entfernt, so dass die gruselige Hakennase Tiffanys fast berührte. Die dunklen Augen

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