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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hinter sich her. Er legte ihn ab und ging abermals hinein. Als er wieder herauskam, trug er den bewusstlosen Rob Irgendwer über der einen und den bewusstlosen Doofen Wullie über der anderen Schulter.
    Tiffany bekam den Mund nicht mehr zu. Das konnte doch nicht wahr sein. Die Größten gewannen immer ! Nichts und niemand bezwang einen Größten! Sie waren unbesiegbar! Und nun das: überwältigt von einem Männchen, das nicht größer war als ein Salz- oder Pfefferstreuer.
    Als der Vorrat an Kobolden aufgebraucht war, stürmte der kleine Mann erneut in das Gebäude und holte eine Frau mit Truthahnhals heraus, die erbittert versuchte, mit ihrem Regenschirm auf ihn einzudreschen – ein nutzloses Unterfangen, da er sie geschickt über seinem Kopf balancierte. Ihnen folgte eine vor Angst bebende Zofe, die eine voluminöse Reisetasche fest umklammert hielt. Das Männchen setzte die aufgebrachte Frau ordentlich neben dem Größten-Haufen ab, und während sie kreischend die Wachen aufforderte, ihren Retter zu verhaften, kehrte dieser noch einmal in das Wirtshaus zurück, um drei schwere Koffer und zwei Hutschachteln zu bergen.
    Tiffany erkannte die Frau, aber es würde bestimmt kein freudiges Wiedersehen werden. Es war die Herzogin – Mutter von Lätitia und ein richtiger Drachen. Ob Roland wirklich begriffen hatte, was er sich da einhandelte? Lätitia selbst war ja noch ganz okay, falls man auf diesen Typ stand, aber ihre Mutter hatte offenbar so viel blaues Blut in den Adern, dass sie eigentlich hätte explodieren müssen – womit im Zweifel jeden Augenblick zu rechnen war. Warum mussten die Größten denn auch ausgerechnet aus dem Gebäude Kleinholz machen, in dem diese alte Schreckschraube abgestiegen war? Das hatte Tiffany zu ihrem Glück gerade noch gefehlt. Und wie würde die Herzogin darauf reagieren, dass Roland und seine aquarellierende Zukünftige in dem Wirtshaus ganz ohne Anstandsdame allein zurückgeblieben waren?
    Die Antwort auf diese Frage nahte bereits in Gestalt des kleinen Wachmanns, der die beiden just in diesem Moment an ihren kostbaren Gewändern auf die Straße schleifte. Roland trug einen etwas zu groß geratenen Abendanzug und Lätitia Rüschen über Rüschen – in Tiffanys Augen genau das passende Fähnchen für eine Person, die zu nichts zu gebrauchen war. Ha!
    Nach und nach trudelten weitere Wachen ein, die vermutlich früher schon mal mit den Wir-sind-die-Größten zu tun gehabt hatten und deshalb in weiser Voraussicht nicht zum Tatort geeilt, sondern geschlichen waren. Einer von ihnen – mehr als sechs Fuß groß und in einer Rüstung, die so blank poliert war, dass sie blendete – nahm die Zeugenaussage des Wirtes auf. Die hörte sich an wie ein langgezogener Schrei, der in der Aufforderung an den Wachmann gipfelte, diesen schrecklichen Alptraum doch bitte, bitte wieder ungeschehen zu machen.
    Tiffany drehte sich um und stand Roland gegenüber.
    »Du? Hier?« , stammelte er. Derweil brach hinter ihm Lätitia in Tränen aus. Ha, was sonst?
    »Hör zu, ich muss dir etwas sehr Wichtiges – «
    »Der Boden ist unter uns eingestürzt«, unterbrach er sie, in einem Ton, als ob er träumte. »Der Fußboden. Unter unseren Füßen!«
    »Roland, ich muss dir … «, begann sie noch einmal, doch da baute sich plötzlich Lätitias Mutter vor ihr auf.
    »Ich kenne dich! Du bist doch dieses kleine Hexengör. Leugnen ist zwecklos! Wie kannst du es wagen, uns bis hierher zu verfolgen?«
    »Wie haben die das gemacht, dass der Fußboden weggebrochen ist?«, fuhr Roland sie an, das Gesicht kreideweiß. »Wie hast du das gemacht? Sag es mir!«
    Und dann war da plötzlich der Geruch. Als bekäme man ohne Vorwarnung einen Hammer auf den Kopf. Unter ihrer Verwirrung und dem Grauen nahm Tiffany aber auch noch etwas anderes wahr: einen Pesthauch in ihrem Kopf, der sie mit unversöhnlicher Gehässigkeit besudelte, einen Misthaufen schauderhafter Ideen und verrotteter Gedanken, der so ekelerregend war, dass sie am liebsten ihr Gehirn herausgenommen und gewaschen hätte.
    Das war er : der Mann in Schwarz ohne Augen. Und dieser Gestank! Schlimmer als ein Klo für Wiesel mit Durchfall. Bei ihrer letzten Begegnung hatte sie schon gedacht, es wäre schlimm, aber gegen die Verpestung jetzt war das der reinste Wohlgeruch gewesen! Tiffany blickte sich verzweifelt um, trotz allem inständig hoffend, nicht fündig zu werden.
    Lätitias Schluchzen wurde lauter und mischte sich unharmonisch in das Stöhnen und Fluchen der

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