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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Land, von dem sie jeden Zoll kannte und in dem immer ein Teil von ihr zurückblieb. Dort konnte sie es mit allem und jedem aufnehmen. Wie wollte der Tückische, dieser hergelaufene alte Geist, sie auf ihrem eigenen Territorium besiegen? Dort lebten ihre Eltern und alle Verwandten, mehr als sie zählen konnte, und ihre Freunde, mehr als… na ja, inzwischen nicht mehr ganz so viele, seit sie sich für den Beruf der Hexe entschieden hatte, aber so war nun mal der Lauf der Welt.
    Tiffany bemerkte, dass jemand an ihrem Kleid hochkletterte. Das war aber kein so großes Problem, wie man hätte meinen können. Natürlich würde es einer Hexe nicht im Traum einfallen, etwas anderes als ein Kleid zu tragen, aber wenn man auf einem Besen reitet, muss man unbedingt in extrastrapazierfähige Unterhosen investieren, möglichst mit Gesäßpolster. Die machen zwar einen dicken, aber auch einen warmen Hintern, und hundert Fuß über dem Erdboden muss die Mode ohnehin hinter dem Wohlbefinden zurückstehen. Tiffany sah an sich hinunter. Es war ein Größter. Er trug einen Helm der Stadtwache, anscheinend aus einem alten Salzstreuerdeckel zurechtgedengelt, einen ebenso kleinen Brustpanzer und, man glaubt es kaum, eine Hose und Stiefel. Stiefel an Größtenfüßen waren ein sehr seltener Anblick.
    »Du bist der Kleine Irre Arthur, nicht wahr? Ich habe dich beim Königskopf gesehen! Du bist Polizist!«
    »Och, doch!« Der Kleine Irre Arthur grinste ein unverkennbares Größtengrinsen. »Der Job is spannend, und er ernährt seinen Mann. Große Sprünge kann man natürlich nich machen, aber ich bin ja auch bloß ‘n kleiner Hüpfer.«
    »Und jetzt willst du bei unseren Jungs für Ordnung sorgen? Hast du vor, für immer bei ihnen zu bleiben?«
    »Nee, nee, wohl eher nich. Mir gefällts in der Stadt. Ich trink lieber Kaffee, der nich aus kleinen Eicheln gekocht wird, und ich geh gern ins Theater, inne Oper oder ins Ballett. « Der Besen wackelte. Tiffany hatte schon mal etwas vom Ballett gehört und in einem Buch sogar Bilder davon gesehen, aber es war ein Wort, das irgendwie nicht in einen Satz passte, in dem auch das Wort »Größte« vorkam.
    »Ballett?«, brachte sie hervor. »Klaro, Ballett is toll! Erst letzte Woche hab ich mir den Schwan auf dem heißen Blechsee angeguckt, ‘n klassisches Thema inner Bearbeitung eines unsrer vielversprechendsten jungen Performancetänzer. Und am Tag drauf wurde in der Oper ne Neuinszenierung von Die Flabbergast gegeben. Dann hatten wir noch ne einwöchige Porzellanausstellung im Königlichen Kunstmuseum, mit nem kleinen Umtrunk: ‘n Fingerhut voll Sherry für jeden. Och, doch, Ankh-Morpork is ne Kulturstadt, keine Frage.«
    »Und du weißt genau, dass du ein Größter bist?«, fragte Tiffany fasziniert.
    »Muss wohl so sein. Es gibt aber doch hoffentlich kein Gesetz dagegen, dass ich mich für Kultur interessier, oder? Ich hab den Jungs schon gesagt, wenn ich wieder zurückgeh, nehm ich sie mal mit ins Ballett.«
    Der Besen schien sich eine Zeitlang selbst zu steuern, während Tiffany ins Leere beziehungsweise auf ein Bild starrte, das vor ihrem geistigen Auge aufgestiegen war: Größte in einem Theater. Sie selbst war noch nie in einem gewesen, aber sie kannte es von Bildern, und der Gedanke an Größte unter Ballerinen war so undenkbar, dass es besser war, sich weiter keine darüber zu machen. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr wieder ein, dass sie ja noch den Besen herunterbringen musste, und sie landete ihn sanft und sicher neben dem Erdhügel.
    Zu ihrem Entsetzen musste sie sehen, dass Wachen davorstanden. Menschliche Wachen.
    Sie traute ihren Augen nicht. Die Wachen des Barons kamen nie ins Hügelland herauf. Niemals! Das hatte es noch nie gegeben! Und … Wut stieg in ihr hoch – einer von ihnen hatte doch tatsächlich eine Schaufel in der Hand .
    Sie sprang so schnell von ihrem Besen, dass er, während Größte von ihm herabregneten, noch ein gutes Stück weiter über die Wiese schoss, bis er schließlich gegen ein Hindernis prallte und auch die restlichen Kobolde abwarf, die sich bis zuletzt an ihm festgeklammert hatten.
    »Wehe, du bewegst die Schaufel, Brian Roberts! «, schrie sie den Feldwebel der Wache an. »Nur ein Stich in den Rasen, und du wirst es bitter bereuen! Was untersteht ihr euch? Was habt ihr hier zu suchen? Und es wird auch keiner zerstückelt! Haben wir uns verstanden?«
    Der letzte Befehl galt den Größten, die die Männer bereits mit ihren kleinen, aber dafür umso

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