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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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laut. »Kannste vergessen, Meisterin. Dabei hat Jeannie gemeint, du wärst ne richtig Clevere.«
    Was hatte Oma Wetterwachs einmal zu ihr gesagt? »Das Böse fängt da an, wo man anfängt, Menschen wie Sachen zu behandeln.« Und genau das würde in diesem Fall passieren, wenn sie sich einbildete, aus vier Sachen eine machen zu können: Man nehme Mutter, Vater, Tochter und Haus, rühre einmal kräftig um, und heraus kommt eine Sache, die »glückliche Familie« heißt.
    Laut sagte sie: »Amber, ich möchte, dass du mich zum Baron begleitest, damit er sehen kann, dass es dir gut geht. Danach kannst du machen, was du willst. Das verspreche ich dir.«
    Es klopfte an ihrem Stiefel, und als sie hinuntersah, blickte sie in das besorgte Gesicht der Kelda. »Könnte ich kurz mit dir reden?«, fragte Jeannie. Sogleich hockte Amber sich neben sie und nahm ihre Hand.
    Dann sprach die Kelda, falls es denn Sprache war und nicht Gesang. Doch was könnte man singen, das still in der Luft verharrt, bis sich die nächste Note darumgeschlungen hat? Was könnte man singen, das wie ein lebendiger Klang ist, der sich selbst singt und wieder zum Sänger zurückkehrt?
    Als der Gesang zu Ende war, blieben nichts als Leere und ein Gefühl des Verlusts.
    »Das ist ein Kelda-Lied«, sagte Jeannie. »Amber hat gehört, wie ich es den Kleinen vorgesungen habe. Es ist Teil des Seelentrosts, und sie hat alles verstanden, Tiffany! Ganz ohne meine Hilfe hat sie es verstanden! Ich weiß, dass der Kröterich es dir schon gesagt hat. Aber hör gut zu, was ich dir jetzt sage. Amber erkennt Bedeutungen und merkt sie sich. Es fehlt nicht viel, und sie ist eine Kelda. Sie ist ein kostbarer Schatz, den man auf keinen Fall wegwerfen darf!«
    Die sonst so sanfte Kelda stieß den letzten Satz ungewohnt heftig hervor. Tiffany verstand ihn als hilfreiche Information, die durch die Blume eine Drohung enthielt.
     
    Sogar der Marsch von den Hügeln hinunter ins Dorf musste erst ausgehandelt werden. Tiffany, mit Amber an der Hand, schritt an den wartenden Wachen vorbei und setzte sich an die Spitze des Zuges, womit sie den Feldwebel in einige Verlegenheit stürzte. Wenn man losgeschickt wird, um jemanden aufzugreifen, steht man doch ziemlich dumm da, wenn sich dieser Jemand sozusagen selbst aufgreift. Wären Tiffany und Amber aber hinter den Wachen gegangen, hätte es so ausgesehen, als ob sie die Männer vor sich hertrieben. Schließlich gehörte dieses Land den Schafen, und jeder wusste, dass die Schafe vorne liefen und der Schäfer dahinter.
    Zuletzt einigten sich alle auf einen etwas unbequemen Kompromiss, der so aussah, dass sie beim Gehen reihum die Position wechselten, wie beim Square-Dance. Tiffany musste Amber unterwegs dauernd ermahnen, nicht zu kichern.
    So weit, so komisch. Leider war der komische Teil schon bald wieder vorbei.
    »Ich sollte eigentlich nur das Mädchen abholen«, sagte der Feldwebel beschwörend zu Tiffany, als sie durch das Burgtor gingen. »Du musst nicht mit reinkommen.« Womit er im Klartext meinte: Bitte, bitte, misch dich nicht ein, und blamier mich nicht vor meinem neuen Chef. Aber es funktionierte nicht.
    Auf der Burg herrschte hektische Betriebsamkeit. Es war ein einziges Eilen und Hasten, keine Spur von etwaigem Verweilen oder Rasten. Alles lief kreuz und quer durcheinander – und auch schon mal im Kreis. Zuerst stand das Begräbnis bevor und bald danach die Hochzeit. Um zwei derart wichtige Ereignisse so kurz hintereinander auf die Beine zu stellen, musste eine kleine Burg bis an ihre Grenzen gehen. Vor allem auch deshalb, weil die Gäste der einen Feierlichkeit wahrscheinlich gleich bis zur nächsten bleiben würden, womit sie sich eine Anreise sparten, allen anderen Beteiligten aber einiges an Mehrarbeit aufbürdeten. Tiffany freute sich trotzdem darüber, dass Fräulein Proper nicht mehr da war, diese durch und durch unangenehme Person. Die hätte sich sowieso nicht die Hände schmutzig gemacht.
    Ein kaum zu lösendes, aber immer wiederkehrendes Problem stellte die Tischordnung dar. Nachdem es sich bei den meisten der geladenen Gäste um Adelige handelte, war es lebenswichtig, dass niemand neben jemandem zu sitzen kam, dessen Vorfahren irgendwann in grauer Vergangenheit einen der eigenen Ahnherren gemeuchelt hatte. Da zum einen die Vergangenheit sehr, sehr groß ist und zum anderen immer irgendein Vorfahr versucht hat, die Vorfahren der anderen unter die Erde zu bringen, sei es aus Land-oder Geldgier oder auch nur aus

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