Das Mönchskraut
hier am rechten Platz war. Nicht jeder war so glücklich, daß er das von sich behaupten konnte.
An einem bewölkten Nachmittag kam Aelfric in den Schuppen und bat um getrocknete Minze. »Meine Herrin möchte für meinen Herrn ein Stärkungsmittel zubereiten.«
»Ich habe gehört, daß er sich nicht gut fühlt«, sagte Cadfael und wühlte in seinen duftenden Leinenbeuteln. Die Nasenflügel des jungen Mannes bebten vor Entzücken, als sie das süße Aroma wahrnahmen. Und im sanften Licht, das den Raum erfüllte, schienen sich seine verkrampften Gesichtszüge ein wenig zu lockern.
»Es fehlt ihm nicht viel, und er leidet mehr seelisch als körperlich«, erwiderte Aelfric erstaunlich offenherzig. »Wenn er endlich wieder Mut fassen würde, ginge es ihm viel besser. Vor allem bedrückt es ihn, daß er sich mit seinem Sohn überworfen hat.«
»Das muß für euch alle schwierig sein, auch für die Mistreß.«
»Sie tut alles für ihn, und er darf ihr wahrlich keine Vorwürfe machen. Aber seit seinem Umzug steht er mit allen Leuten auf Kriegsfuß, sogar mit sich selbst. Er hat erwartet, daß sein Sohn vor der Übersiedlung zu ihm laufen und klein beigeben würde, um sein Erbe zurückzugewinnen. Aber da wurde Master Bonel bitter enttäuscht, und das ärgert ihn.«
Cadfael hob überrascht die Brauen. »Du meinst - er hat seinen Sohn enterbt und seine Ländereien der Abtei geschenkt? Um dem jungen Mann eins auszuwischen? Nach dem Gesetz darf er das gar nicht. Kein Kloster würde auf solch einen Handel eingehen, ohne die Zustimmung des Erben.«
»Es ist nicht sein richtiger Sohn.« Aelfric schüttelte seufzend den Kopf. »Da er aus Mistreß Bonels erster Ehe stammt, kann er keine Ansprüche an den Master stellen. Sicher, der Herr hat ein Testament gemacht und den Jungen darin als Erben eingesetzt - aber dieses Dokument wird durch die Vereinbarung mit der Abtei ungültig. Zumindest wird es ungültig sein, wenn alles besiegelt und bezeugt ist. Der Sohn kann keine rechtlichen Schritte unternehmen. Er hat das Landgut verloren, das ihm zugesichert wurde, und dabei bleibt's.«
»Was hat er verbrochen, um eine solche Behandlung zu verdienen?« fragte Cadfael verwundert.
Aelfric zuckte verächtlich mit den Schultern, die zwar schmal, aber - wie Cadfael feststellte - kräftig und wohlgeformt waren. »Er ist jung und eigensinnig, und mein Herr ist alt und reizbar - und er ist es nicht gewöhnt, daß man ihm in die Quere kommt. Daran ist der Junge auch nicht gewöhnt, und er hat verbissen gekämpft, als man seine Freiheit einschränken wollte.«
»Was ist nun aus ihm geworden? Soviel ich mich erinnere, hast du mir erzählt, daß ihr nur zu viert in dem Häuschen am Mühlenteich wohnt.«
»Er ist genauso unnachgiebig wie mein Herr, und so ist er zu seiner verheirateten Schwester gezogen und erlernt ein Handwerk. Mein Herr hat fest damit gerechnet, daß der Junge mit eingezogenem Schwanz zurückkommen würde. Bis jetzt hat er vergeblich darauf gewartet, und ich bezweifle auch, daß es jemals geschehen wird.«
Sicher ist die Mutter des enterbten Jungen todunglücklich, dachte Cadfael mitleidig. Vermutlich fühlt sie sich in diesem unseligen Streit zwischen den beiden Parteien hin und her gerissen. Und vielleicht bereut es der alte Mann schon, daß er sich in seinem Zorn zu einer so folgenschweren Maßnahme hinreißen ließ und seinen Sohn um das Erbe brachte ... Er reichte Aelfric einen Bund Minze. Die ovalen Blätter waren immer noch unversehrt, denn die Sommerhitze hatte sie rasch getrocknet, und manche hatten sogar noch einen frischen grünen Schimmer. »Deine Herrin wird sie selbst zerreiben müssen. Wenn man sie im Ganzen aufbewahrt, behalten sie ihr Aroma am längsten. Wenn sie noch mehr Kräuter braucht, laß es mich wissen, dann werde ich sie für sie zerreiben. Aber diesmal wollen wir sie nicht so lange warten lassen. Hoffentlich wird das Stärkungsmittel deinem Herrn helfen und seine Laune bessern - um seinet-und ihretwillen. Das wäre auch für dich segensreich«, fügte Cadfael hinzu und klopfte dem jungen Mann leicht auf die Schulter.
Aelfrics ernste Züge verzogen sich zu einem halbherzigen, bitteren, resignierten Lächeln. »Die Leibeigenen sind dazu da, um als Sündenböcke zu dienen!« stieß er in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung hervor, dann bedankte er sich hastig und verließ den Schuppen.
Vor dem Weihnachtsfest pflegten sich viele Kaufleute von Shrewsbury und die Herren einiger kleiner Gehöfte
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